Ulysses Moore - 02 - Die Kammer der Pharaonen
sage ich ihr, sobald ich sie sehe!«
»Wage es ja nicht!«, rief Rick. »Und jetzt lass mich mal sehen.« Er studierte die Skizze im Notizbuch, dann wanderte sein Blick zu dem Obelisken, der eine Kreuzung markierte, an der vier StraÃen aufeinandertrafen. »Wo könnten wir jetzt sein?«, überlegte er laut und kratzte sich am Kopf. »Aha«, machte er plötzlich und verstaute das Notizbuch hastig wieder. »Der Hafen müsste dort drüben sein.«
Jason riss verblüfft die Augen auf.
Ãstlich vom Obelisk fiel die Stadt sanft ab und endete an einer im goldenen Licht glitzernden Wasseroberfläche. Während sie an Ochsenwagen vorbei die StraÃe hinunterliefen, merkten sie, dass die Luft frischer wurde und angenehmer roch. Die Sonne stand bereits niedrig und eine kühle Brise war aufgekommen.
Jason runzelte die Stirn. »Der Wind riecht nach Salz. Komisch.«
Rick reagierte nicht sofort, weil er sich ganz auf die Karte und ihren Weg konzentrierte. »Das kann nicht der Nil sein. Also ist es das Rote Meer«, sagte er.
Ihr erster Weg führte sie zu einem phönizischen Schiff, das sie von seiner Form her an die schlanke Silhouette der Metis erinnerte.
Der Kapitän, ein Libanese mit langen schwarzen Haaren und einem sonnengebräunten Gesicht, empfing sie lachend. »Ihr seid zwei neue Botenjungen, nicht wahr? Ist es dem Alten gelungen, meine Karte zu reparieren?«
Rick übergab ihm die in Leder gewickelte Papyrusrolle. »Sie haben ein sehr schönes Schiff«, sagte er dann und betrachtete anerkennend Besegelung und Ruder.
»Wohin fahren Sie?«, erkundigte sich Jason.
»An der Küste entlang nach Mykene.« Der Kapitän entrollte den Papyrus auf dem Deck und sah ihn sich an. »Gut ⦠Gut ⦠Ausgezeichnete Arbeit!«
Er warf den beiden Jungen eine Handvoll Münzen als Trinkgeld zu und sie fingen sie geschickt auf.
Wenig später hatten Jason und Rick sie bereits gegen zwei Brotfladen eingetauscht, die mit einer heiÃen, duftenden Mischung aus Hammelfleisch, Gewürzen, Gemüse und Fisch aus dem Roten Meer gefüllt waren.
Sie gönnten sich eine Pause, setzten sich auf eine Mole und lieÃen die Beine baumeln. Während sie aÃen, beobachteten sie die golden glänzende Flotte des Pharaos, die in der Mitte des Hafens vor Anker lag.
Wenig später kehrten sie zum Obelisk zurück. Die zweite Karte, die sie bei sich trugen, sollte zu einem Arzt gebracht werden, der in Kürze zu einer Expedition aufbrechen wollte, um Zutaten für seine Arzneien zu suchen.
Rick entdeckte, dass es ziemlich leicht war, sich in Punt zu orientieren: Die gewaltigen Mauern, die den Garten des Hauses des Lebens umgaben, waren praktisch von jeder Kreuzung aus sichtbar â ebenso wie das Meer, das dem Haus des Lebens gegenüberlag. Die StraÃen verliefen senkrecht zueinander und die gröÃeren von ihnen bildeten die Grenzen zwischen den einzelnen Vierteln. Die kleineren Häuser wurden von Bauarbeitern bewohnt, die niedrigen Häuser am Rande der Stadt von Bauern. Die eindrucksvollen zweistöckigen oder sogar dreistöckigen Häuser gehörten Beamten, Priestern oder Ãrzten.
Während Jason und Rick noch nach dem Empfänger der Karte suchten, stieÃen sie auf eine kleine Menschenmenge, die sich um zwei Musiker versammelt hatte, die die Ballade der zwei Liebenden aufführten. Einer der beiden hatte sein Gesicht weià bemalt und zupfte an einem Saiteninstrument herum, wenn er nicht gerade auf einer Holzflöte spielte. Der andere war ganz in Schwarz gekleidet und hatte sein Gesicht mit dunkler Erde beschmiert. Konzentriert schlug er auf eine Trommel ein.
Jason und Rick blieben eine Augenblick stehen und schauten den beiden Künstlern zu.
»Ich verstehe nicht, warum Liebeslieder immer so traurig sein müssen«, meinte Jason, als sie wieder aufbrachen. »Wenn nicht einer der beiden Liebenden stirbt, hören die Leute nicht einmal zu.«
Rick sagte nichts darauf. Er wusste nur zu gut, wie sehr seine Mutter darunter gelitten hatte, dass sein Vater auf See verschollen war. Und er dachte, dass er dieses Liebeslied lieber nicht gehört hätte.
Sie erkannten das Haus des Arztes an den vielen Leuten, die davorstanden und warteten.
Rick und Jason gaben sich als Boten zu erkennen und gingen an der Schlange vorbei ins Sprechzimmer.
Dieses war ein duftender Raum mit vielen Wasserbecken,
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