Ulysses Moore – Die Häfen des Schreckens
seltsames Wesen, das auf der Straße vor ihnen aufgetaucht war und einen riesigen Rucksack trug. Er rief: »Vorsicht, Cousin!«, und ließ vor Schreck Voynichs Beine los.
Der große Flint sah das Hindernis in letzter Sekunde. Er wollte anhalten, aber anstatt auf die Bremse trat er auf das Gaspedal. Der Postwagen glitt wie eine Eishockeyscheibe über die regennasse Straße und krachte gegen die Felsbrocken am Straßenrand.
Die Flints taumelten aus dem Postwagen. Keiner der beiden hatte sich ernsthaft verletzt. Nur der große Flint blutete aus einer Platzwunde über seiner Augenbraue.
»Er ist dort drüben!«, kreischte der mittlere Flint. »Ich sage dir, er ist dort drüben gelandet!« Er hatte gesehen, wie Voynich beim Aufprall aus dem Fenster geflogen war.
»Ja, da ist er! Ich sehe ihn!«, rief der große Flint.
»Tatsächlich. Aber wer sind die anderen?«
Etwa zwanzig Meter von der Stelle entfernt, an der die Felsen ihre Rutschpartie stoppten, hatte sich eine seltsame Gruppe versammelt: zwei Katzen, ein Tier, das wie ein Panther in Miniatur aussah, und dann noch diese eigenartige Gestalt mit dem Rucksack, die sich als ein sehr alter Mann mit verschrumpeltem Gesicht entpuppte. Neben ihm stand der Freund der Covenants, dieser Tommaso. Er trug einen Affen auf der Schulter.
Und der Mann, der am Boden lag und dem sie zu helfen versuchten, war tatsächlich der Chef der Brandstifter.
»Mister Voynich? Ist alles in Ordnung?«, fragten die beiden Flints, als sie die anderen erreicht hatten.
»Ich hasse euch!«, herrschte Voynich sie an. Fluchend und mit schmerzverzerrtem Gesicht stand er auf.
»Hat euch denn keiner beigebracht, wie man eine Straße überquert?«, schimpfte der große Flint.
»Sei still!«, befahl Voynich. Dann fiel ihm seine Waffe ein. »Mein Gewehr! Wo ist mein Gewehr?«
Im nächsten Augenblick hörten sie Tierschreie. Wie auf Kommando drehten sich alle um und mussten entsetzt feststellen, dass die Affen sie immer noch verfolgten. Ungefähr ein Dutzend von ihnen rannte auf allen vieren auf sie zu. Ihre am Gürtel festgemachten Säbel schleiften am Boden nach.
»Oh nein!«, stöhnte der mittlere Flint. »Sie haben uns eingeholt!«
»In den Wagen! Schnell!«, rief der große Flint.
»Mein Gewehr! Wo ist mein Gewehr?«, kreischte Voynich panisch.
Doch dann geschah es: Ohne dass einer von ihnen es verhindern konnte, sprang der Affe, der auf Tommasos Schulter gehockt hatte, herunter und lief den anderen entgegen.
»Sie werden ihn in Stücke reißen!«
»Vielleicht nicht! Vielleicht sind sie ja Freunde!«
Auf einmal richtete sich der Affe aus Venedig auf den Hinterbeinen auf. Er reckte die Arme in einer eindrucksvollen Geste empor und stieß einen kurzen, kehligen Laut aus.
Die Piratenaffen stoppten plötzlich.
»Was geht da vor sich?«, fragte Voynich, dem es vorkam, als könne er vor Schmerzen gar nicht mehr richtig sehen.
»Keine Ahnung«, antwortete Tommaso, der ihn immer noch stützte. »Aber es sieht fast so aus, als würden die anderen … vor ihm niederknien.«
Kapitel 21
Das Duell
Die schwarze Brigantine schaukelte in den Wellen. Julia ging zur Tür ihres Gefängnisses und spähte vorsichtig nach draußen. Weil sie niemanden sah, schlich sie hinaus und lief leise einen dunklen Gang entlang, immer darauf bedacht, ja kein Geräusch zu verursachen.
Sie hörte Stimmen, aber zum Glück schienen sie weiter weg zu sein. Sie kam zu einem breiteren Gang, in dem es entsetzlich stank. Eine Mischung aus Knoblauch und dem Geruch von nassem Fell. Sie legte sich eine Hand über Mund und Nase und versuchte, sich zu orientieren. Sie hatten sie gezwungen, eine kleine Treppe auf der linken Seite hinunterzusteigen, und sie dann in den Verschlag geschoben …
Julia fragte sich, wie sie von dem Schiff fliehen und das Festland erreichen konnte. Sollte sie hinauf an Deck gehen und sich ein Beiboot suchen? Nein, das war viel zu gefährlich und auffällig … Und außerdem konnte sie nicht so besonders gut rudern, das hatte sie immer lieber Jason überlassen.
Aber wenn sie stattdessen ins Wasser sprang, konnte sie vielleicht unbemerkt ans Ufer schwimmen.
Während sie noch über ihren Fluchtplan nachdachte, hörte sie oben auf dem Deck Kapitän Spencer rufen: »Lasst ihn an Bord kommen!«
Wen sollen sie an Bord kommen lassen?, fragte sich Julia neugierig.
Sie pirschte sich an die Treppe heran, die nach oben führte, und schaute hinauf.
Die Wolkendecke riss auf und aus dem heftigen Regen wurde feiner
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