Ulysses Moore – Die Häfen des Schreckens
willst nach Kilmore Cove?«
Der Affe drehte plötzlich eine Pirouette, blieb dann wieder ruhig stehen und schaute Tommaso nur an.
»Willst du mit nach Kilmore Cove?«, wiederholte der Junge. Er stand langsam auf und klopfte sich mit einer Hand auf die Schulter. »Dann spring mal hier rauf. Du musst zusammen mit mir durch die Tür.« Er schlug sich wieder leicht auf die Schulter. »Komm, spring rauf. Hab keine Angst.«
Der Postwagen machte einen Satz nach vorn und Mister Voynich, der sich mit seinem Gewehr weit aus dem Fenster gelehnt hatte, wäre beinahe hinausgefallen.
»Entschuldigen Sie«, sagte der große Flint, »aber es ist gar nicht so leicht, das Auto hier zu fahren.«
»Pass auf, was du tust, Junge!«, wetterte Voynich, nachdem er sich wieder hingesetzt hatte. »Und gib acht, wohin du lenkst, sonst wird das nichts mit unserer Flucht!«
Er lud nach.
»Verfolgen sie uns denn immer noch?«, wollte der mittlere Flint wissen, der eingeklemmt zwischen den beiden saß.
»Was glaubst du denn?«, knurrte Voynich. »Natürlich verfolgen sie uns noch. Halte mich an den Beinen fest. Ich versuche noch mal, sie zu erwischen.«
»Oh je, oh je, oh je!«, jammerte der mittlere Flint.
»Und du am Lenkrad, gib dir ein bisschen mehr Mühe!«, befahl Voynich, bevor er sich wieder so weit wie möglich aus dem Fenster streckte.
»Ja, ich versuch’s ja, ich versuch’s ja!«
Voynich wand und drehte sich, bis er bis zur Taille aus dem Seitenfenster ragte. Der mittlere Flint hielt seine Knie fest, damit er nicht aus dem Wagen fiel. Er lehnte das Gewehr gegen die Seite des Lieferwagens und blinzelte kurz. Als er die Augen wieder öffnete, sah er sie: sechs bis acht Affen, die säbelschwingend auf der Straße hinter ihnen herrannten.
Er schoss zweimal und die Verfolger schrien wütend auf.
Dann kroch er ins Wageninnere zurück.
»Haben Sie die Affen getroffen?«, fragte der mittlere Flint und schaute in den Rückspiegel. Im nächsten Moment schrie der große Flint: »Haltet euch fest!«, und nahm die Kurve gleich nach dem Ortsende, als wäre er ein Rennfahrer.
Der Lieferwagen kam ins Schleudern und seine abgefahrenen Reifen schlitterten über den Asphalt. Die drei sahen, wie das Meer immer schneller auf sie zukam. In letzter Minute hatte der große Flint das Auto wieder unter Kontrolle, konnte gegenlenken und bremsen. Alle drei wurden auf die andere Seite gedrückt.
»Uff!« Der große Flint atmete hörbar auf. »Das war knapp.«
»Junge, ich werde mit allen Mitteln verhindern, dass du den Führerschein machst, wenn du volljährig bist«, schimpfte Marius Voynich und versuchte, den mittleren Flint von sich wegzuschieben. »Und du, mach die Augen wieder auf! Wir sind noch am Leben!«
»Oh je, oh je, oh je«, klagte der mittlere Flint wieder. Doch sobald ihm klar wurde, dass sie nicht ins Meer gestürzt waren oder einen Unfall gebaut hatten, breitete sich auf seinem Gesicht ein zufriedenes Grinsen aus. »Gut gemacht, Cousin!«
Der große Flint gab Gas, ohne zu schalten, und der Drehzahlmesser kletterte auf über viertausend Umdrehungen. Voynich, der insgeheim zugeben musste, dass er von Motoren noch weniger verstand als der Junge, beschränkte sich darauf, sein Gewehr neu zu laden.
Er atmete tief durch, lehnte sich dann wieder raus und schoss eine weitere Salve ab. Dabei musste er an ihre groteske Flucht denken. Als die Affen auf dem Platz vor dem Postamt aufgetaucht waren, hatten die beiden Cousins die Idee gehabt, sich im Hinterzimmer zu verstecken. Und dort hatten sie den Postwagen entdeckt. Die Schlüssel lagen im Handschuhfach.
Der große Flint hatte ihm vorgelogen, er könne hervorragend Auto fahren, und so waren sie hineingesprungen und der Junge hatte den Wagen gestartet. Der Krach, den sie beim Herausfahren aus dem Posthof machten, hatte sämtliche in der Stadt anwesenden Affen auf den Plan gerufen.
Weil der Junge im Grunde kaum fahren konnte und auch weil es nicht ganz einfach war, sich in Kilmore Cove mit dem Auto zurechtzufinden, hatte es eine Weile gedauert, bis sie aus der Stadt herausgekommen waren. Hier auf der Küstenstraße aber ging es zügiger voran und die Affen konnten mit dem Postwagen nicht mehr so leicht Schritt halten.
»So, jetzt gibt es noch eine Ladung …«, sagte Voynich bestimmt und wies den mittleren Flint an, ihn wieder festzuhalten.
Dieser gehorchte und Voynich feuerte zwei weitere Betäubungsgeschosse auf ihre Verfolger ab. Plötzlich bemerkte der mittlere Flint aber ein
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