Um Leben und Tod - Ennigkeit, O: Um Leben und Tod
nicht laut schreien können, aber dieses Sich-Wehren sei in seinem Plan nicht vorgesehen gewesen. Er meine, dass er in dieser Situation selbst geweint habe und seine Tränen auf den Jakob drauf gelaufen seien … Er habe gewollt, dass Jakob endlich ruhig sei. Er habe ihn geschüttelt, angeschrien, am Hals gewürgt, all dies habe nicht geholfen. Jakob habe nicht aufgehört, sich zu wehren. »Ich habe ihn auch einmal geschlagen, glaube ich.« Auch das habe nicht geholfen.
Da sich das Klebeband über dem Mund gelockert gehabt habe, habe er ein neues darüber geklebt. Außerdem habe er ein Stück Klebeband über die Nase geklebt.
(aus dem Vortrag des psychiatrischen Gutachters von Magnus Gäfgen)
Nachdem sicher war, dass Jakob tot war, ging ich zu meinem Auto und fuhr wie in Trance nach Hause.
Wir hatten alle verloren. Kein anderer Gedanke. Es war später Nachmittag, ich saß nun am Küchentisch bei mir zu Hause, immer wieder die Frage: »Warum, warum musste dieses unschuldige Kind sterben?« Obwohl ich es nicht zulassen wollte, ich konnte nicht anders: Ich musste weinen.
Bernd Mohn, Magnus Gäfgen und der Fahrer machten sich auf die Rückfahrt, noch bevor Jakobs Körper geborgen worden war. Gäfgen war schweigsam und verschlossen. Bernd setzte trotzdem die Befragung fort, weil er den Tatablauf restlos klären wollte.
»Wo hast du Jakobs Kleider und seinen Schulranzen verschwinden lassen, wo die Schreibmaschine versteckt?«
»Einige Teile habe ich in Frankfurt-Oberrad in einer Mülltonne neben dem Minimalmarkt am Buchrainplatz entsorgt, weitere Teile in einer grünen Mülltonne des dritten Hauses auf der linken Seite einer vom Buchrainweg abgehenden Nebenstraße.«
Bernd Mohn leitete die Angaben an seinen Kollegen Jürgen P. weiter, der die Durchsuchungsmaßnahmen veranlasste. Die Durchsuchung der Örtlichkeiten verlief vorerst negativ.
Bernd gab nicht auf und befragte Gäfgen weiter, er wollte auch wissen, ob es noch andere Tatbeteiligte gäbe.
»Klaus H. [Name geändert] ist der Tatplaner, die Brüder B. haben nichts damit zu tun. Ich habe die Angaben zu den Brüdern B. und dem Verwahrort am Langener Waldsee erfunden, weil ich ungeheuer unter Druck gestanden habe. Jakob sollte nach Erlangung des Lösegeldes freigelassen werden. Klaus hat gesagt, dass es ihm nur ums Geld ginge, unabhängig von der Person, entweder Franz, Elena oder Jakob. Ich habe Jakob an der Bushaltestelle abgepasst und den Brief hingelegt.«
Gäfgen wiederholte, dass es sich um den Banker Klaus H. handelte, der zu seinem Bekanntenkreis gehörte.
Als Rechtsanwalt Endres am 1. Oktober 2002 um 14.30 Uhr ins Polizeipräsidium zu seinem Klienten Gäfgen kam, hoffte er, dass Jakob noch zu retten wäre. So hatte er es aus den Worten von Magnus’ Mutter herausgehört, als sie ihn um 7.00 Uhr morgens angerufen hatte. Deshalb hatte er eine Verhandlung am Landgericht unterbrechen lassen, in der er einen Räuber verteidigte. Als er auf dem Hof des Polizeipräsidiums einen Leichenwagen stehen sah, ahnte er das Schlimmste. In Gäfgen sah er im ersten Moment einen »großen, traurigen jungen Mann, der völlig neben sich stand, das Gesicht weich, die Augen angstvoll« ( Tagesspiegel , 07.12.2002).
Schnell war ihm vermutlich klar, dass die Fakten und das indirekte Geständnis des Angeklagten ihm einen hoffnungslosen Fall zutrugen. Gäfgen begrüßte Endres mit den Worten: »Gott sei Dank, dass Sie da sind!« Doch er log auch ihn an und beschuldigte weiterhin Klaus H. als Tatplaner. Der erfahrene Anwalt und scharfe Beobachter verbat sich jedoch Ausflüchte und Lügen, bestand vielmehr darauf, die Wahrheit zu erfahren, da er sonst das Mandat nicht übernehmen könne. Gäfgen gab daraufhin zu, die Beschuldigungen der Brüder B. und des Herrn H. erfunden zu haben. Endres benachrichtigte sofort die Polizeibeamten und rettete damit Klaus H.s Reputation und seinen Arbeitsplatz.
Gäfgen sagte schließlich seinem Anwalt Endres, dass er die Erpressung und Entführung alleine geplant und durchgeführt habe. Den Tod Jakobs habe er angeblich nicht gewollt.
Um Jakob zu töten, verklebte der Angeklagte ihm schließlich auch die Nase mit Klebeband. Er legte sich dann neben dem Kind auf den Boden, Kopf an Kopf, und verschloss ihm Mund und Nase zusätzlich mit einer Hand, die er ihm auf das Gesicht presste. In dieser Stellung verharrte er, bis sich der Junge nicht mehr rührte. Nach etwa zwei Minuten, in denen Jakob von Metzler verzweifelt um Atemluft kämpfte, trat
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