Um Leben und Tod - Ennigkeit, O: Um Leben und Tod
war es, der seinen Willen durchgesetzt hat; er hat Marianne K. nur in der Illusion gelassen, sie würde entscheiden. Er hat die Abmessungen des Käfigs bestimmt, in dem sie sich frei bewegen konnte.«
Jetzt ist er ein Folteropfer, er, der nette Mann, der nicht mehr schlafen kann, weil er so gefoltert wurde – und nicht, weil er ein Kind getötet hat und ihm bei seinem Ersticken in die Augen gesehen hat.
Er selbst beschreibt jedoch in seinem Buch auf Seite 115: »… vor mir sah ich stets, am Tage und in der Nacht in all meinen Träumen, die Bilder meines Opfers und die letzten Minuten.«
Das sind fast die Worte, die ich in meinem Verhör gewählt hatte, um ihm Jakobs Flehen um Hilfe nahezubringen; sie haben ihn also beeindruckt. Jetzt behauptet er aber, dass ihn die Angst vor der »Folterdrohung« nicht mehr schlafen lasse.
Zwei Fragen lassen mich nicht in Ruhe.
Warum glaubt man dem notorischen Lügner Gäfgen, wie unser Zusammentreffen abgelaufen ist, und nicht mir?
Und warum glaubt man, die Anwendung unmittelbaren Zwanges als Einzelfalllösung würde deutsche Polizisten zu Folterknechten machen?
Die Verfahren, die Gäfgen nach seiner Verurteilung bisher angestrebt hat:
1. Revisionsverfahren
– Das Verfahren vor dem Bundesgerichtshof wurde am 21. Mai 2004 verworfen.
– Die Verfassungsbeschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht wurde am 14. Dezember 2004 nicht angenommen.
2. Amtshaftungsverfahren
– Gäfgen stellte am 28. Dezember 2005 einen Antrag auf Prozesskostenhilfe. Er stützte den Antrag auf die Behauptung, er sei durch die gegen ihn angewendeten polizeilichen Ermittlungsmaßnahmen, u. a. die angebliche Androhung von Schmerzen, wenn er den Aufenthaltsort nicht preisgebe, und weiteren Androhungen von sexuellem Missbrauch und Schlägen traumatisiert worden, und er bedürfe psychologischer Behandlung.
– Der Antrag auf Prozesskostenhilfe wurde beim Landgericht Frankfurt gestellt. Es ging um Prozesskostenhilfe wegen eines Schmerzensgeld- und Schadensersatzanspruches aus der angeblich erlittenen Folter. Landgericht und Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt wiesen den Antrag auf Prozesskostenhilfe mangels hinreichender Erfolgsaussicht ab.
– Das Bundesverfassungsgericht entschied mit Beschluss vom 19. Februar 2008, AZ: 1 BvR 1807/07, dass hinreichende Erfolgsaussicht im Hinblick auf die Klärung schwieriger, bislang ungeklärter Rechtsfragen im Hauptverfahren nicht versagt werden könne.
– Nachdem die Prozesskostenhilfe gewährt war, reichte Gäfgen daraufhin noch im Jahre 2008 Klage beim Landgericht Frankfurt ein, die derzeit noch anhängig ist.
3. Das Verfahren beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte
– Am 15. Juni 2005 legte Gäfgen Individualbeschwerde nach Art. 34 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten beim EGMR ein. Die Individualbeschwerde richtet sich gegen die Bundesrepublik Deutschland.
Ziel der Individualbeschwerde ist, dass der EGMR feststellen soll, dass Gäfgen in seinem durch Art. 6 der Konvention garantierten Recht auf ein faires Verfahren, das sein Recht auf Selbstbelastungsfreiheit und sein Recht auf wirksame Verteidigung einschließe, verletzt worden sei, weil Beweismittel, die von den Behörden nur aufgrund des von ihm erpressten Geständnisses hätten sichergestellt werden können, in dem gegen ihn geführten Strafverfahren verwertet worden seien.
– Mit seiner Entscheidung vom 10. April 2007 erklärte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte die Beschwerde in Teilen für zulässig (AZ: 22978/05).
Die fünfte Kammer des Gerichtshofes entschied am 30. Juni 2008, dass Gäfgen nicht mehr behaupten könne, Opfer einer Verletzung von Art. 3 zu sein, dass das Verfahren insgesamt nicht unfair war und Art. 6 nicht verletzt wurde.
– Gegen diese Entscheidung hat Gäfgen um Entscheidung der Großen Kammer des EGMR nachgesucht. Diese entschied am 1. Juni 2010, dass der Beschwerdeführer weiter für sich beanspruchen kann, Opfer einer Verletzung von Art. 3 zu sein und dass eine Verletzung von Art. 3 vorlag, dass aber weiterhin keine Verletzung von Art. 6 gegeben sei.
Am 12. Juni 2003 richtete die Schweizer Sektion von Amnesty International eine »Botschaft«, nämlich eine in der Delegiertenversammlung vom 12. und 13. April 2003 in Genf einstimmig angenommene Resolution, an den Frankfurter Polizeipräsidenten: Die Amnesty-Sektion bezog ihre Informationen ausschließlich aus Veröffentlichungen in den Medien. Sie beklagte, dass die
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