umgenietet: Maggie Abendroth und der alten Narren tödliches Geschwätz (German Edition)
Winnie und drehte sich zu uns um. Wir beugten uns erwartungsvoll noch weiter vor. Ich hielt den Atem an und machte dicke Backen.
Spannender konnte es bei der Öffnung von Tutenchamuns Grab auch nicht gewesen sein. Carmen jedenfalls hatte nach ihrer Kreuzfahrt den richtigen Teint, fehlte nur noch ein Tropenhelm und ein bisschen Wüstenstaub.
Winnie bedachte die Damenriege mit einem breiten Lächeln und zog an dem großen Türgriff. Die Tür schwang auf.
»Geh doch ma auffe Seite, Winnie«, befahl Berti und sprang aus den Sofakissen.
Winnie gab die Bühne frei und setzte sich neben mich auf die Sofalehne. »Bitte, Oma. Guck selber nach«, sagte er und zupfte an meinen Haaren herum. »In Blond würdest du aussehen wie Doris Day«, flüsterte er mir ins Ohr.
»Lass das«, zischte ich ihn an. Winnie summte ein paar Takte von Que sera, sera. Ich gab ihm einen ordentlichen Knuff in die Seite, den er lachend quittierte. »Noch einen Ton, und ich krieg Lust auf einen richtigen Leberhaken, Herr Kommissar.«
»Seid ihr gezz ma stille da, auffe billigen Plätzen?«, grummelte Berti, die vor dem offenen Safe kniete.
»Pssst«, kam es von Elli und Mia. Winnie versuchte sein ›Ich war nicht mit den Fingern in der Marmelade‹-Gesicht und bekam von Elli ein strahlendes Lächeln. Carmen wäre vor Neugier beinahe vornübergefallen, aber Mia hielt sie am Arm zurück. Ellis Pudel kläffte.
Endlich drehte sich Berti zu uns um und hielt etwas in der Hand.
»Was ist das?«, fragte Carmen.
Winnies Unschuldsmiene transformierte zum ›Auch das noch‹-Ausdruck, und er fuhr sich durch die Haare. »Oje.«
»Wat, oje?«, fragte Berti. »Dat is eine Zigarre in eine Plastiktüte. Ich frach mich, wat dat soll. Sieht aus wie’n gesichertes Beweisstück.«
»Gib mal her«, sagte ich, und Berti reichte mir den Beutel. »Die ist ja halb abgebrannt.«
Die Banderole war am unteren Ende noch aufgesteckt, und ich las: Romeo y Julieta.
Mia stand vom Sofa auf und stemmte ihre Arme in die Hüften: »Sag jetzt nicht, der Herrmanns hat einen Safe für eine einzige angelullte Zigarre? Und der ganze Rest von seinem Hab und Gut, seine Papiere und alles, ist verbrannt, weil der den Safe für eine einzige …«
»Nicht irgendeine Zigarre«, unterbrach ich Mia. »Churchills Zigarre. Eine Romeo y Julieta. Das ist die Marke, die Winston Churchill zeit seines Lebens bevorzugt geraucht hat.«
»Gibt’s hier irgendwas zu verstehen?«, fragte Elli. »Ich komm nämlich nicht mehr mit.«
»Erklär ich dir später«, murmelte Berti und griff ins untere Fach des Tresors. Sie holte einen Briefumschlag hervor, guckte auf den Absender und hielt ihn mir hin. »Lies mal vor, Maggie, du kannz doch Englisch.«
Ich nahm den Brief und überflog ihn kurz. Datiert war er vom 5. Februar 1965. »Das ist … vielleicht ein Diener oder Sekretär von Churchill?«
»Ja, wat schreibt der denn?«
»›Sehr geehrter Herr … Herrmanns. Vielen Dank für Ihr …‹ ach, Kondolenzschreiben heißt das … ›zum Tode von Sir Winston‹ … und so weiter. Moment …«
»Winston Churchill? Da hat der Borowski von erzählt, kurz bevor der auf meiner Couch …«, schnaubte Elli, wurde aber von Mias scharfem Blick ausgebremst.
Winnie guckte mir über die Schulter und übersetzte weiter: »›… bin ich gerne bereit, Ihrem privaten Churchill-Museum in Deutschland eine von Sir Winston Churchills Zigarren für Ausstellungszwecke zur Verfügung zu stellen. Dies ist die Abendzigarre des Ehrenwerten vom 10. Mai 1963. Hochachtungsvoll‹, blah blah, ›Bitte überweisen Sie 250 Pfund an …‹ und so weiter.«
»Churchill-Museum?«, murmelte Carmen.
»Und darunter«, nahm ich den Faden wieder auf, »bestätigt dieser Jemand die Echtheit der Zigarre. Ich kann bloß den Namen nicht entziffern.«
»250 Pfund?«, quiekte Mia. »Für eine gerauchte Zigarre?! 250 Pfund waren damals ein Vermögen!«
Berti holte aus ihrem Wandschrank ein großes Lexikon, wuchtete es auf den Safe, schlug es auf und zitierte: »Sir Winston Churchill, geboren 30. November 1874 in Blenheim Palace, und so weiter … Gestorben am 24. Januar 1965 in seinem Stadthaus in London. Wat steht da für ’ne Adresse auf dem Brief?«
Ich drehte den Briefumschlag herum. »28, Hyde Park Gate, London.«
»So viel zum Thema zuverlässiges Personal«, sagte Winnie, nahm mir den Brief aus der Hand, faltete ihn zusammen und gab ihn Berti zurück.
»Da war der noch gannich kalt, da ham die schon die Devotionalien
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