Umzug ins Glück
Spritverbrauch war
auch nicht ganz auf der Höhe einer Zeit, in der das Benzin in Euro mehr kostete als damals, als wir den Wagen kauften, in D-Mark . Eigentlich war das nicht das Auto, das dem Gehalt einer Sekretärin entsprach, und ich hatte den Verdacht, es machte mich
alt. Es war nicht ein »Wientotsch« mit Stil, sondern einfach ein altes Auto.
Wenn ich das Haus verkaufte und Tante Paulas Wunsch wahr machte, wäre vermutlich auch die Anschaffung eines neuen Autos kein
Problem. Der Gedanke, eigentlich nur ein unscheinbares Körnchen, keimte schnell zu einem sichtbaren Gewächs.
Als ich durch den Regen zur Haustür sprintete, bemerkte ich, dass es seitlich wieder aus der Dachrinne triefte und das Wasser
ungehindert gegen das Fenster des Gäste-WCs spritzte. Ein deutliches Zeichen dafür, dass das Fallrohr verstopft war. Solche
Sachen hatte Stephan früher erledigt. Inzwischen musste ich immer jemanden finden, der bereit war, auf die Leiter zu steigen
und das Rohr wieder frei zu kratzen. Klaus hatte das einmal gemacht, mir dann aber unmissverständlich erklärt, dass er das
nicht wieder tun würde. Ob Nick vielleicht …?
Ein weiteres Argument pro Umzug. Contra war natürlich, dass ich Nick nicht nur zum Dachrinnenreinigenum mich hätte. Er würde sich mit seiner unnachahmlichen Direktheit in alles einmischen, was ich tat. Er würde nicht nur mitkriegen,
wann ich aufstand und zu Bett ging, wann ich Besuch bekam und wen, wie oft ich putzte … Er würde auch ohne Scheu mein Gewicht kommentieren, meinen Kleidungsstil, meine Essgewohnheiten und all das, was sich zurzeit
ganz in der Privatsphäre meines Eigenheims abspielte und worüber ich niemandem Rechenschaft ablegen musste.
Seit Paula ins Krankenhaus gekommen war, hatte Nick sich ganz schön breitgemacht in meinem Leben. Jan Hörnum zwar auch, aber
das war vermutlich bald vorüber, wenn er mit Hadschi Halef Omar seine asiatischen Abenteuer erlebte. Nick dagegen brauchte
gar nicht anwesend zu sein, und trotzdem brachte er es fertig, dass ich mein Brot mit weniger Fleischwurst belegte als sonst
und auch die Remoulade, die ich so gern dazu esse, nur noch als hauchdünnen Schleier darüber verteilte.
Ich musste mich irgendwie auf andere Gedanken bringen. Es konnte doch nicht angehen, dass ich mich über einen so großen Teil
meiner wachen Zeit mit zwei Männern auseinandersetzte, die sich mehr oder weniger uneingeladen in meinen Alltag gedrängt hatten
und von denen ich nichts anderes lieber wollte, als dass sie mich wieder in Ruhe ließen. Deshalb setzte ich mich mit meinem
Strickzeug vor den Fernseher und zog mir einen Spielfilm rein, in dem das Leben besser sortiert war. Natürlich war der Dunkelhaarige
der Richtige für die Heldin, weil er tierlieb war und regelmäßig seine Oma besuchte. Der Blonde sah zwar auch gut aus, aber
weil er direkt zu Anfang einen One-Night-Stand mit einer hohlen Nuss hatte und auch den Hund der Heldin nicht mochte, war
natürlich klar, wie es ausgehen musste. Jetzt blieb nur noch abzuwarten, dass der Dunkelhaarigesich mit seinem Vater versöhnte (dazu musste sich die Oma endlich durchringen, ein lange gehütetes Familiengeheimnis zu lüften),
dem Hund der Heldin das Leben rettete und seine Schüchternheit überwand, um ihr seine Liebe zu gestehen. Der Blonde hingegen
benahm sich rüpelhaft, wurde eines mittelschweren Vergehens überführt und verschwand daraufhin für immer aus dem Leben der
anderen.
Ich hätte ja längst umgeschaltet, weil es im wahren Leben solche Geschichten nicht gibt. Aber leider wurde ich von einem unverhofft
auftauchenden Statisten davon abgehalten: und zwar von der Wohnung der weiblichen Hauptperson, wo sie heldinnenhaft versuchte,
ihren Erfolg als Modedesignerin in Gang zu bringen.
Diese Wohnung legte in mir lange verborgene Wünsche frei. Es handelte sich um ein großzügig geschnittenes Appartement mit
einer Dachterrasse (keine Ahnung, wie sie sich so was leisten konnte, zumal die Story in München spielte), wo weiße Wände
und ein helles Holzparkett den Hintergrund für eine sparsame Einrichtung bildeten, die hauptsächlich aus weißen Möbeln und
ein paar rosa Farbtupfern bestand.
Ich war sofort hin und weg. Was ich mir nicht so recht erklären konnte, denn Rosa und Weiß hatten bisher nicht zu meinem Farbkonzept
gehört, weder bei meiner Kleidung noch in der Wohnung. Das mochte aber auch daran liegen, dass Stephan sich über so etwas
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