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Umzug ins Glück

Umzug ins Glück

Titel: Umzug ins Glück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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immer lustig gemacht hatte, genau wie über Blümchenmuster und Ton-in-Ton-Streifen. Und um solchen Vorwürfen der Geschmacksverirrung
     aus dem Weg zu gehen, hatte ich unmerklich diese Gedanken übernommen. Seltsam, dass mir das ausgerechnet jetzt auffiel   … Und dass mir auch dazu etwas einfiel.
    Ich legte mein Strickzeug beiseite und begann in meinenWohnzimmerschränken zu kramen. Ich musste ziemlich tief graben, bis ich das gesuchte Objekt in den Händen hielt: einen Kaffeebecher
     mit zartem Blümchenmuster in Puderrosa bis Kräftig-Pink. Den hatte ich vor Jahren mal bei einem Horror-Wichteln zu Weihnachten
     bekommen, als Horst Adler noch nicht Chef unserer Niederlassung war, sondern ein älterer Herr namens Josef Schmitz, dem kollegialer
     Umgang mit den Angestellten und regelmäßiges Feiern wichtiger waren als Anschleichen und Abmahnungen aus heiterem Himmel.
     Ich weiß noch, wie wir nach einem üppigen Essen unter großem Hallo die Schachteln auspackten, in die jeder wie vorgegeben
     nach bestem Wissen und Gewissen das Hässlichste und Geschmackloseste gelegt hatte, das er in seiner Wohnung gefunden hatte:
     die aufziehbare, ›Hounddog‹-singende Elvis-Puppe, eine mit unechten Perlmutt-Muscheln beklebte Schmuckdose, der Kunstdruck
     einer vollbusigen Zigeunerin, solche Sachen eben, die den Begriff ›Hor ror-Wichteln ‹ rechtfertigen und die Stimmung am Tisch hochkochen lassen.
    Für mich hatte der unbekannte Spender diese Tasse mit einer farblich passenden Hawaii-Girlande und einem ledernen Zigarettenetui
     kombiniert, das auch mit rosa Blüten geschmückt war. Weil ich noch nie geraucht hab, brauchte ich das Etui nicht, die Girlande
     musste ich mir unter lautem Gegröle um den Hals legen, wo sie schaurig zu meinem zimtbraunen Pullover aussah, aber die Tasse
     fand ich nicht so übel. Ich dachte gerade darüber nach, dass sie vermutlich in einem englischen Landhaus nett aussehen würde,
     neben der silbernen Teekanne und einer Vase mit Pfingstrosen, als Doris sagte: »Na, das passt ja zu dir wie die Faust aufs
     Auge.«
    »Findest du?«
    »Wenn irgendwas nicht dein Stil ist, dann sind es dochwohl rosa Blümchen«, meinte sie feixend, und damit war das Urteil über diese Tasse gefällt. Trotzdem schaffte ich es nicht,
     sie wegzuwerfen. Stattdessen fristete sie, nachdem auch Stephan einmal herzlich darüber gelacht hatte (so lange war das schon
     her!), ein unbenutztes Dasein ganz hinten im Schrank.
    Jetzt stellte ich sie prüfend auf den Couchtisch, aber sie überstand selbst den Kontrast zu der massiven Kiefer und der eingelegten
     Tischplatte aus schwarzen Fliesen. Ich musste mir eingestehen, dass mir diese Tasse gefiel und auch der Stil, für den sie
     in meiner Vorstellung stand: lichtdurchflutete Räume mit sparsamer Möblierung, pastellige Farben mit dem Mut zu weichen Mustern,
     die Verbannung von schweren Hölzern und raumgreifendem Mobiliar.
    Das könntest du jetzt haben, flüsterte ein kleines Stimmchen in meinem Kopf. Wenn du diesen Kasten aufgibst, könntest du etwas
     ganz Neues anpacken. Nick hatte ja schon von Holzfußböden gesprochen. Er hatte mich mit einem Wintergarten gelockt. Und ungefragt
     fing meine Fantasie an, weiterzuspinnen: mit duftigen Vorhängen statt der in ordentliche Falten gelegten Wohnzimmergardinen.
     Mit dem rosa Sofa, das ich neulich im Katalog gesehen hatte – ich hatte erst den Kopf geschüttelt und dann mehrfach wieder
     dahin zurückgeblättert. Ich könnte die Kiefernmöbel per Kleinanzeige an Selbstabholer verkaufen und mir in aller Ruhe die
     Dinge aussuchen, die zu diesem neuen Stil passten, einen Korbsessel vielleicht oder ein weißes Regal. Ich könnte endlich mal
     mit dem Patchworken anfangen und mir eine Decke in Pastelltönen nähen   …
    Die ganze Zeit hatte sich die gedankliche Energie aus meinem Kopf auch auf mein Strickzeug übertragen. Jetzt stellte ich fest,
     dass ich über zwanzig Zentimeter geschafftund beinahe den Punkt verpasst hatte, wo ich für die Ärmelausschnitte abnehmen musste. Aber das brauchte nicht mehr heute
     zu passieren. Ich ging sehr zufrieden ins Bett und schlief mit schönen Bildern von Blümchentassen und Teerosen ein.

8
    Ich war schon lange nicht mehr in der Sauna gewesen, und Ines hatte mich auch nur überreden können, weil sie a) einen Gutschein
     hatte und mir b) versicherte, es gäbe da Räume speziell für Frauen. Auch mit einem Handtuch um meine Mitte war ich nicht bereit,
     mich wildfremden Männern

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