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Umzug ins Glück

Umzug ins Glück

Titel: Umzug ins Glück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Schränken?« Er öffnete den Sekretär.Dort gab es eine ganze Menge Diamagazine, das letzte vor etwa acht Jahren von Stephan ordentlich einsortiert und beschriftet,
     und mehrere Kartons mit Dias und Papierfotos, die jünger waren. Ich hatte es nicht so mit dem Einsortieren.
    »Das kann ich jetzt nicht wegschmeißen!«, sagte ich erschrocken. »Das muss ich in Ruhe aussortieren.«
    Nick blieb geduldig und öffnete das nächste Fach. Das war ganz schlecht, denn dort befanden sich Stapel von Tischdecken und
     Servietten, zum Teil noch von meiner Großmutter. Auch das würde etwas mehr Ruhe zum Aussortieren benötigen, und einen Mann
     wie Nick konnte man dabei schon gar nicht gebrauchen. Und das dritte Fach förderte dann die absolute Katastrophe zutage: Stephans
     Sammlung alter Orden und Militärabzeichen, von seinem Onkel begonnen, von ihm erweitert und von mir nie wieder angefasst.
    »Ich glaube, ich habe deutlich mehr als zehntausend Teile«, seufzte ich.
    Nick lehnte sich gegen die Rückenlehne eines der Sessel. »Ja, das ist schon eine krasse Vorstellung, nicht? Ich denke manchmal,
     wenn man jedes dieser Teile nur einmal im Vierteljahr anfasst und sauber macht – das sollte man doch tun, oder? – und für
     jedes Teil im Durchschnitt eine Minute braucht, dann sind das vierzigtausend Minuten im Jahr.«
    Solche Zahlenkunststücke überwältigen mich immer. »Vierzigtausend Minuten?« Ich hielt mich am Sideboard fest.
    »Nur mal geschätzt«, sagte Nick. »Natürlich braucht man nicht für jedes Teil eine Minute. Andererseits, wenn man bedenkt,
     dass es schon sechs Minuten dauert, um ein Herrenhemd zu bügeln, und das tut man ja häufiger als viermal im Jahr   …«
    Ich hatte noch nie gestoppt, wie lange ich zum Bügeln eines Herrenhemdes brauchte. Aber ich hatte ja auch schon länger keine
     Gelegenheit dazu gehabt. Das tat mir nicht so leid, fiel mir auf. Stephan war immer ziemlich pingelig gewesen mit den Ärmeln.
     Mit Doris’ Methode, im Winter nur Kragen, Manschetten und Vorderfront zu bügeln, weil ihr Mann sowieso Jacke oder Pulli darüber
     trug, wäre ich bei ihm niemals durchgekommen. Und wenn ich mir Nick so ansah, konnte ich mir das bei ihm genauso wenig vorstellen.
    Ohne meinen aufgewühlten Gemütszustand zu bemerken, fuhr Nick fort mit seiner Rechnung: »Das sind umgerechnet etwa sechshundertsechsundsechzig
     Stunden. Und das wiederum sind beinahe achtundzwanzig Tage. Rund um die Uhr. Würde man einen Achtstundentag zugrunde legen,
     wären das rund vierundachtzig Tage. Stell dir das mal vor. Man braucht über achtzig Tage im Jahr, nur um seine Sachen einigermaßen
     in Ordnung zu halten.« Er kniff die Augen zusammen und fixierte mich. »Was sagst du dazu?«
    »Du kannst gut kopfrechnen«, sagte ich.
    Er sah mich etwas beleidigt an. Offenbar hatte er einen anderen Kommentar erwartet. »Das ist alles?«
    »Das ist doch schon viel. Ich kann das nicht. Ich hätte deshalb beinahe meine Bürokauffrau-Prüfung versemmelt.«
    »Mia«, sagte er leicht ungehalten. »Könntest du nicht endlich dieses ausweichende Blödeln lassen und dich zu den Sachen hier
     äußern?«
    »Ich weiß nicht«, seufzte ich. Irgendwie war mir elend. »Entweder ich blödele herum oder ich fange an zu heulen.« Und das
     stimmte nur zu gut, mir standen bereits die Tränen in den Augen.
    »Mia!«, rief Nick erschrocken und kam näher, unddann fiel ich ihm schon weinend um den Hals. »Was ist denn?«
    »Ich kann das nicht!«, schluchzte ich. »Hier ist alles voller Stephan. Ich kann das nicht wegschmeißen, das ist wie   … wie   … Verrat. Als würde ich alles aufgeben, was unsere Ehe ausgemacht hat.«
    Ich hatte schon die Befürchtung, er würde wieder mit seiner Salamitheorie anfangen, drei Souvenirs sind so gut wie dreihundert,
     aber das tat er zum Glück nicht. Vielleicht spürte er, dass unsere langsam keimende Beziehung damit schon wieder zu Ende gewesen
     wäre. Stattdessen zog er mich behutsam mit sich auf das Sofa und ließ mich sein Hemd vollheulen.
    »Vielleicht hätten wir nicht gerade hier im Wohnzimmer anfangen sollen«, meinte er tröstend. »Das konnte ja nicht gutgehen.«
    »Aber die anderen Räume sind genauso!«, jammerte ich. »Alles hier hat etwas mit Stephan zu tun. Magnus hat recht. Es ist ein
     Mausoleum, und ich werde langsam schrullig.«
    »Schrullig?«, wiederholte Nick ungläubig. »Das hat er zu dir gesagt? Wo ist er, dass ich ihn verprügeln kann?«
    »In Braunschweig«, erwiderte ich und

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