Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Umzug ins Glück

Umzug ins Glück

Titel: Umzug ins Glück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
Vom Netzwerk:
und sich gegenseitig beraten:
     ›Soll ich den Reiniger mit dem Zitrusduft nehmen oder lieber den mit der Meeresbrise?‹ – ›Nimm den gelben, den gibt es auch
     in einer kleineren Flasche‹. – ›In Ordnung, dann geh du doch schon mal zur Wursttheke und such dir was aus.‹ – ›Ach nein,
     komm lieber mit, sonst packen die mir wieder die angetrockneten Scheiben mit ein.‹
    Stephan war ein sehr dominanter Mensch, aber nicht auf unangenehme Weise – eher die Sorte, die zu einer Gruppe dazustößt und
     direkt mit ins Gespräch einbezogen wird. Einfach weil man ihn gleich wahrnimmt. Er hatte viel Humor, aber auch einen starken
     Willen, und in den schwierigen Phasen unserer Ehe war dieser Wille wie eine Wand, gegen die ich anlief und mir immer wieder
     eine blutige Nase holte. Aber andererseits kannte ichauch seine Schwächen, wusste, an welchen Stellen er auf mich angewiesen war, schöpfte Kraft aus der Tatsache, dass ihm sehr
     wohl bewusst war, dass er mich brauchte.
    Zum Beispiel wenn es um zwischenmenschliche Probleme ging, ob bei der Arbeit oder privat. Da fragte er mich oft um Rat, weil
     er seiner eigenen Wahrnehmung nicht traute. Ich hätte ihm nie ausdrücklich gesagt, was er tun sollte, dann hätte er sich gegängelt
     gefühlt; aber ich schilderte ihm meine Sicht der Dinge, beschrieb ihm, wie die andere Seite meiner Meinung nach die Situation
     empfand, und half ihm so, das Problem zu entwirren.
    In mancher Hinsicht war Nick ihm ähnlich: Auch er hatte viel Humor, strahlte einen hohen Grad von Selbstsicherheit aus und
     war ein Mensch, den man nicht übersah. Das machte es nicht einfacher für mich, und erschwerend kam hinzu, dass Nick auch an
     Stellen perfekt war, an denen Stephan seine Defizite gehabt hatte: Er war nicht unordentlich, sondern diszipliniert, er war
     verbindlich, wo Stephan manchmal eine gewisse Polterigkeit gezeigt hatte, und wo Stephans Dickköpfigkeit ihn gelegentlich
     auf den Holzweg führte, hatte Nick eine Argumentationsstärke, die den anderen den Wind aus den Segeln nahm.
    Natürlich verstand ich das erst jetzt, denn bis vor kurzem hatte ich Nicks Disziplin für vorgetäuscht gehalten, seine Verbindlichkeit
     als den stetigen Versuch interpretiert, sich einzuschleimen, und seine Argumentationsstärke hatte ich als schiere Rechthaberei
     abgetan. Aber gerade diese Eigenschaften beunruhigten mich jetzt umso mehr, weil ich ihnen nichts entgegenzusetzen hatte.
     Wenn ich auf Nicks Werben einginge, wäre ich gezwungen, für alles die richtigen Argumente zu haben oder schon vorher zu wissen,
     dass ich nachgeben musste. Ich hatte einfach Angst, dass eines Tages die Phase der unbegrenztenAttraktion vorbei sein würde und eine Beziehung übrig blieb, in der er, für ewig im Recht, die Preise festlegen konnte, während
     ich nur noch damit beschäftigt war, meine emotionalen Schulden abzuarbeiten. Kramschublade nicht aufgeräumt? Übel! Wiederholt
     genascht und heftig zugenommen? Ouh, ouh! Vergessen, die Zeitung abzubestellen? Kaum noch gutzumachen!
    »Warum seufzt du so?«, fragte Nick mich. »Sollen wir mal eine Pause machen?«
    »Nicht nötig«, sagte ich rasch. »Pausen brauchen nur Raucher.«

12
    Am nächsten Morgen bekam ich hautnah mit, wie gut Jan Hörnums Werbestrategie funktionierte.
    »Stell dir vor«, sagte Doris, »meine Nachbarin behauptet, dieser Hörnum würde am Wochenende auf einer Verkaufsveranstaltung
     auftreten. Im Supermarkt hing ein Zettel mit einem Bild von ihm an der Pinnwand, aber als sie von der Kasse kam, hatte den
     schon jemand geklaut.«
    »Das stimmt«, sagte ich und holte das Anzeigenblatt aus der Tasche. Ich hatte es extra auf dem Weg zum Büro am Kiosk geholt.
     Es erscheint zweimal wöchentlich kostenlos, und neben ein paar zweitrangigen Titelstorys über das Bredenscheider Tierheim
     oder das neue Ausflugslokal am Museumsbahnhof standen hauptsächlich Kleinanzeigen darin, über die die Bredenscheider Bevölkerung
     fast so viel zu kaufen und zu verkaufen schien wie der Rest Deutschlands bei E-Bay .
    »Tatsächlich«, sagte Doris, als sie die Anzeige sah. Es war zwar kein Foto dabei, aber der Text war identisch mit dem des
     Flugblatts. »Kann ich das vielleicht meiner Nachbarin mitnehmen?«
    »Von mir aus.« Ich konnte jederzeit noch welche von den Dingern bekommen. Gelassen sah ich zu, wie Doris einen Textmarker
     aus der Schublade holte und die Anzeige rosa einkringelte.
    Auch Lea interessierte sich für den Anzeigenteil, auchwenn sie

Weitere Kostenlose Bücher