Umzug ins Glück
uns, den Schnaps abzulehnen und lieber schnellstens ins Büro zurückzukehren.
Tatsächlich stand Horst Adler schon da und prüfte die Vollzähligkeit seiner Untergebenen, aber es war eine Minute vor eins
und wir damit noch in der Zeit. »Mahlzeit!«, verkündete er und zog sich in seine Zelle zurück.
Doris hängte ihre Jacke auf und beugte sich über ihren Schreibtisch. »Mia, hast du das Anzeigenblatt wieder eingesteckt?«,
fragte sie.
»Nein, wieso? Das wolltest du doch deiner Nachbarin mitnehmen.«
»Sicher, aber …« Sie kramte noch einmal durch ihre Unterlagen, prüfte den Papierkorb, schaute in ihrer Handtasche nach. »Komisch. Ich war
mir sicher, dass ich es auf meinem Schreibtisch liegen gelassen habe, aber es ist nicht da.«
Auch Lea und Mandy hatten es nicht. »Das hat bestimmt Horst Adler geklaut«, sagte Mandy. »Der spioniert doch immer auf den
Schreibtischen rum.«
»Klar«, spottete Doris. »Und dann kommt er am Samstag zu Mias Garagenverkauf und holt sich von Jan Hörnum ein Autogramm.«
Wir lachten alle herzlich darüber.
13
Dabei hatte Doris leider gar nicht so unrecht. Zum Beispiel mit den Autogrammen. Als ich am Samstag um kurz nach acht in Paulas
Haus erschien, hatte Jan Hörnum schon die wichtigsten Utensilien für den Verkauf auf einem kleinen Klapptisch neben der Haustür
vorbereitet: eine metallene Geldkassette, dazu eine Spendendose in Form eines Seenotrettungskreuzers (»Für die Leute, die
ihr Wechselgeld nicht haben wollen«), einen Berg Plastiktüten – nicht die gebrauchten aus Paulas Küche, sondern brandneue,
flutschige aus dem Supermarkt – und einen Stapel Autogrammkarten.
Mir sollte das recht sein. Wenn die Leute genauso zahlreich wegen Jan Hörnum hierherkamen wie sie Tante Paula im Krankenhaus
besucht hatten, umso besser. Jetzt hatten wir uns schon so viel Mühe gemacht, da wollten wir auch möglichst viel Zeug auf
diese Weise loswerden. Schließlich spürte ich noch die letzten Abende in meinen Knochen, in denen wir bereits Möbel gerückt,
Hausrat verpackt und die Garage ausgeräumt hatten.
Neben dem Haus stand bereits der gestern angelieferte Container. Noch war er fast leer bis auf ein paar definitiv nicht mehr
brauchbare Sachen aus der Garage, und ich ahnte schon, wie schwer es mir fallen würde, ab morgen die nicht verkauften Reste
hineinzuwerfen, so als würde man sie der ewigen Verdammnis preisgeben.
»Was haben wir für ein Glück mit dem Wetter«, sagte Jan Hörnum, der heute wieder friesisch kam und nicht nur einen weiß-schwarzen
Kittel angezogen und seine Prinz-Heinrich-Mütze aufgesetzt hatte, sondern tatsächlich auch eine Fußbekleidung trug, die fast
wie Holzschuhe aussah. Er hatte einen Klappstuhl und eine Tasse Kaffee bei sich und begab sich schon mal in Position als Kassenwart.
Dabei waren es noch fast anderthalb Stunden bis zum offiziellen Beginn des Flohmarkts.
Nick war unterwegs, Tante Paula holen, also war es meine Aufgabe, die weiteren Vorkehrungen zu treffen. Damit die Leute nicht
durch das ganze Haus trabten, hatten wir einiges an Möbeln von oben in die Garage gestellt und damit dem Namen der Veranstaltung
Rechnung getragen. So konnten wir die obere Etage sperren und den gesamten Plunder unten zur Schau stellen, einschließlich
einer Auswahl von Jacken, Mänteln und Mützen aus Onkel Rudolfs Bestand. Auch einige Pelzmäntel, die Paula loswerden wollte,
waren dabei, und ich fragte mich, wer die bei dem warmen Wetter kaufen würde.
Damit für diese Sachen genügend Ausstellungsfläche zur Verfügung stand, musste ich den Hausrat (Code name »Klimbim«) nach draußen räumen und, je nach Empfindlichkeit und Beschaffenheit, in flachen Bananenkisten oder auf Plastikfolien
feilbieten. Wir hatten beschlossen, dass wir Preisbereiche bilden wollten: nah am Haus kostete alles drei Euro, im mittleren
Bereich verlangten wir zwei Euro pro Teil, in Richtung Hecke nur noch einen, und dann gab es noch einen großen Wäschekorb
mit Grabbel für fünfzig Cent. Meine Aufgabe war es, auf jedes Teil entsprechende Farbpunkte zu kleben, damit Jan Hörnum dann
korrekt kassieren konnte. Ich fand das dauernde In-die-Hocke-gehen ganz schön anstrengend, sodass ich bereits erste Anzeichenvon Erschöpfung zeigte, als Nick mit Tante Paula in die Einfahrt rollte.
Erst einmal musste er sie den Gartenweg entlangschieben, sodass sie die gerade von mir dort ausgebreiteten Dinge noch ein
letztes Mal begutachten
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