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Umzug ins Glück

Umzug ins Glück

Titel: Umzug ins Glück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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schönen
     Tag, Frau Grützbauer.« Mein Tag war schon allein durch diese Skizze schön, ich sah plötzlich alles durch rosarote Gazevorhänge.
     Nick war ein Zauberer. Ich sollte mal wieder BAP hören, dachte ich.
    »Du bist heute irgendwie anders«, sagte Doris nachdenklich. »Was ist los mit dir?«
    »Guck mal«, sagte ich verträumt und zeigte auf meinen Bildschirm. Die Vorhänge sahen so realistisch aus, dass ich mir fast
     vorstellen konnte, wie ein leichter Luftzug durch die Tür kam.
    Sie warf einen neugierigen Blick darauf. »Nein, wie furchtbar«, sagte sie. »Wo kommt das denn her? Fehlt nur noch ein Blümchengeschirr.«
    »Genau«, sagte ich und schickte das Bild an meine private E-Mail -Adresse, damit ich es für immer verwahren konnte.

17
    Gegen zwei klingelte es. Es war Mandys Aufgabe, den Besuchern zu öffnen und sie erst mal ins Wartezimmer zu bitten, und deshalb
     achtete ich nicht besonders darauf, als sie an meinem Schreibtisch vorbeikam, um Horst Adler den Besuch zu melden. Aufmerksam
     wurde ich erst, als sie sagte: »Der Herr Mäderle ist jetzt da, der heute Morgen angerufen hat.«
    Mein Blick schoss fragend zu Doris, aber sie war so vertieft in ihre Arbeit, dass sie nicht auf den Namen geachtet hatte.
    »Bringen Sie ihn zu mir rein«, befahl Horst Adler.
    Das war übliches Verfahren. Für größere Gruppen richteten wir nach Voranmeldung das Wartezimmer zu einer Art Besprechungsraum
     her, aber Einzelbesucher mussten sich mit Horst in seine Zelle quetschen. Meistens war das ein Vorteil, weil der kleine Raum
     eine Atmosphäre von Diskretion und Sicherheit vermittelte, und Erbschaftsangelegenheiten sind nun mal etwas sehr Sensibles.
    Ich war total gespannt, als Mandy den Besucher holte. Würde Jan Hörnum tatsächlich herkommen und versuchen, Horst seine Beute
     wieder abzunehmen? Das würde ich ihm hoch anrechnen, auch wenn ich seine Erfolgschancen als eher gering einstufte.
    Aber der Mann, der hinter Mandy durch unser Büro schlurfte, war nicht Jan Hörnum. Es war ein eher blasser,unauffälliger Mensch mit schütterem blondem Haar und einer schlechten Haltung, der sich schüchtern umsah und mit leiser Stimme
     »Guten Tag!« sagte. Eine richtige graue Maus in einem grauen Regenmantel.
    Dann begegnete ich seinem Blick, und mir stockte der Atem. Das war nicht Jan Hörnum, aber es war Günter Mäderle in voller
     Maske. Er nickte mir zu, so als wollte er zu den Büroangestellten nicht unhöflich sein, und trat dann in Horst Adlers Büro.
     Mandy schloss hinter ihm die Tür.
    Ich wartete, bis sie wieder nach nebenan verschwunden war, und dann stand ich auf und schlich in Richtung Horst Adlers Bürotür.
     Doris bemerkte es und sah mich ungläubig an.
    »Ich erkläre es dir später!«, versprach ich flüsternd, und dann quetschte ich mich ganz nah an den Türrahmen, sodass man mich
     durch den Milchglaseinsatz nicht sehen konnte. Ich wusste, dass sich die Erbauer dieser Büroetage mit Schallschutz keine besondere
     Mühe gemacht hatten.
    »Herr Mäderle«, begann Horst jovial das Gespräch. »Was kann ich für Sie tun?«
    »Ja, also«, sagte Herr Mäderle, und ich konnte mir richtig vorstellen, wie er dabei die Kante seines Mantels knetete. Die
     Unsicherheit in Person. »Es ist mir etwas unangenehm, aber   … Es geht um etwas sehr Persönliches   …«
    Horst war es gewohnt, dass die Leute um den heißen Brei herumredeten. Es kam selten vor, dass jemand kurz und knapp erklärte:
     ›Da gibt es eine Erbschaft, und die hätte ich gern.‹
    »Ich kann Ihnen versichern«, sagte er deshalb beruhigend, »dass nichts, was hier gesprochen wird, diesen Raum verlässt.«
    Hast du eine Ahnung, dachte ich.
    »Ich habe letzte Woche meinen Bruder besucht«, erzählte Herr Mäderle jetzt. »Der wohnt gerade in Bredenscheid bei Bekannten.
     Vielleicht kennen Sie ihn? Er ist Schauspieler und tritt unter dem Künstlernamen Jan Hörnum auf.«
    »Ach ja?«, fragte Horst überrascht. »Das ist Ihr Bruder?«
    »O ja«, versicherte ihm Herr Mäderle. »Wissen Sie, wenn man in Hamburg geboren ist und Mäderle heißt, dann ist es schwer,
     eine Karriere im Theater zu machen. Deshalb nennt er sich so.«
    »Aha«, sagte Horst. Und vermutlich dachte er genau wie ich: Worauf willst du eigentlich hinaus?
    »Also, ich bin kein Schauspieler geworden«, fuhr Herr Mäderle fort. »Das liegt mir gar nicht, wissen Sie. Ich bin beim Finanzamt.«
    »Ach ja«, sagte Horst. »Interessant.« Gesprächserhaltende Verbalisation nennt

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