Unbefugtes Betreten
Straße konzertiertes und ungeduldiges Hupen.
DieWelt des Gärtners
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Im achten Jahr ihrer Beziehung hatten sie den Punkt erreicht, wo sie einander nützliche Geschenke machten, Geschenke, die ihr gemeinsames Lebensprojekt untermauern sollten, statt ihre Gefühle auszudrücken. Beim Auspacken von Kleiderbügeln, Vorratsdosen, einem Oliven-Entsteiner oder einem elektrischen Bleistiftspitzer sagten sie gern: »Genau das, was ich gebraucht habe«, und das war ehrlich gemeint. Selbst Unterwäsche schien nun eher ein praktisches als ein erotisches Geschenk zu sein. Einmal hatte er ihr zum Hochzeitstag eine Karte überreicht, auf der »Ich habe alle deine Schuhe geputzt« stand – und wirklich hatte er alle Wildlederschuhe gegen Regen eingesprüht, ein Paar alte, aber immer noch getragene Tennisschuhe geweißt, die Stiefel zu militärischem Glanz aufpoliert und auch ihr übriges Schuhzeug mit Schuhcreme, Bürste, Tüchern, Lappen, körperlichem Muskeleinsatz, Hingabe und Liebe behandelt.
Ken hatte vorgeschlagen, dieses Jahr auf Geschenke zu verzichten, weil sein Geburtstag nur sechs Wochen nach dem Einzug in das Haus war, aber sie schlug das Angebot aus. Also betastete er am Samstag zur Mittagszeit behutsam die beiden vor ihm liegenden Päckchen und versuchte zu erraten, was wohl darin sein mochte. Früher hatte er lautgeraten, aber wenn er das Richtige traf, war sie sichtlich enttäuscht, und wenn er alberne Vermutungen anstellte, war sie auf andere Art enttäuscht. Also sprach er jetzt nur mit sich selbst. Das erste Päckchen, weich: Das musste etwas zum Anziehen sein.
»Gartenhandschuhe! Genau das, was ich gebraucht habe.« Er probierte sie an, bewunderte die Mischung von Geschmeidigkeit und Robustheit und machte eine Bemerkung über die Lederbänder, die den gestreiften Canvas an entscheidenden Stellen verstärkten. Sie hatten zum ersten Mal einen Garten, und dies war sein erstes Paar Gartenhandschuhe.
Das andere Geschenk war eine längliche Schachtel; als er das Paket schütteln wollte, wies sie ihn darauf hin, dass manches darin zerbrechlich sei. Er zog das Klebeband vorsichtig ab, weil das Geschenkpapier zur Wiederverwendung aufgehoben wurde. In der Hülle fand er einen grünen Diplomatenkoffer aus Plastik. Stirnrunzelnd klappte er den Deckel auf und erblickte eine Reihe von Reagenzgläsern mit Korkverschluss, einen Satz Plastikfläschchen mit verschiedenfarbigen Flüssigkeiten, einen langen Plastiklöffel und ein Sortiment geheimnisvoller Hacken und Schaufeln. Wenn er alberne Vermutungen angestellt hätte, dann hätte er womöglich auf eine Weiterentwicklung des Schwangerschaftstests getippt, den sie vor langer Zeit einmal verwendet hatten, als sie sich noch Hoffnungen machten. Jetzt behielt er den Vergleich lieber für sich. Stattdessen las er den Titel auf dem Handbuch vor.
»Ein Test-Set für Bodenanalysen! Genau das, was ich gebraucht habe.«
»Die funktionieren offenbar wirklich.«
Es war ein schönes Geschenk, das etwas in ihm – was genau? – ansprach, vielleicht den Rest von Männlichkeit, dender Abbau der Unterschiede zwischen den Geschlechtern in der modernen Gesellschaft noch nicht erfasst hatte. Der Mann als Forscher, als potenzieller Jäger und Sammler, als Pfadfinder: etwas von alledem. In ihrem Freundeskreis waren beide Geschlechter gleichermaßen für Einkaufen und Kochen, Hausarbeit und Kinderbetreuung, Autofahren und Geldverdienen zuständig. Außer dem Anziehen der eigenen Kleider tat der eine Partner kaum etwas, was der andere nicht ebenso gut gekonnt hätte. Und ebenso gern oder ungern übernahm. Aber ein Test-Set für Bodenanalysen, das war eindeutig Männersache. Da hatte Martha mal wieder ins Schwarze getroffen.
In dem Handbuch stand, mit dem Set könne man Bodenproben auf Kalium, Phosphat, Kaliumkarbonat sowie auf den pH-Wert testen, was immer das sein mochte. Und dann holte man sich wahrscheinlich unterschiedliches Zeug und grub das ein. Er lächelte Martha an.
»Damit können wir vermutlich auch rauskriegen, was wo am besten gedeiht.«
Als sie nur zurücklächelte, nahm er an, dass sie annahm, dass er auf das umstrittene Thema seines Gemüsebeets angespielt hatte. Seines theoretischen Gemüsebeets. Des Beets, für das es ihrer Meinung nach keinen Platz und auch überhaupt keinen Bedarf gab, schließlich fand auf dem nahe gelegenen Schulhof jeden Samstagmorgen ein Bauernmarkt statt. Ganz zu schweigen von dem Bleigehalt, das jedes so dicht an einer der wichtigsten
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