Unbefugtes Betreten
kein Kunde sich wünschen, ob es nun Beweise dafürgab oder nicht. Daher übermalte Wadsworth die Katzenpfote und ersetzte sie durch einen eher unauffälligen Huf, von grauer Farbe und leicht gegabelt.
Gewohnheit und Besonnenheit mahnten ihn, die zwei Kerzen zu löschen, die man ihm gewährt hatte; doch der Portraitist beschloss, sie brennen zu lassen. Sie gehörten jetzt ihm – oder zumindest hätte er bald für sie bezahlt. Er wusch seine Pinsel in der Küche aus, packte seinen Malkasten, sattelte seine Stute und spannte sie vor den kleinen Karren. Sie schien ebenso froh wie er, dass es nun fortging. Als sie ein paar Schritte vom Stall entfernt waren, sah er vom Kerzenschein erhellte Fensterkonturen. Er schwang sich in den Sattel, die Stute setzte sich in Bewegung, und bald spürte er kalte Luft auf dem Gesicht. Bei Tagesanbruch, in einer Stunde, würde das Hausmädchen sein vorletztes Portrait betrachten und dabei die verschwenderischen Kerzen ausdrücken. Er hoffte, dass es im Himmel Malerei geben würde, aber mehr noch hoffte er, dass es im Himmel Taubheit geben würde. Die Stute, die bald das Motiv seines letzten Portraits werden sollte, fand ihren Weg von allein. Nach einer Weile, als Mr Tuttles Haus schon weit hinter ihnen lag, schrie Wadsworth in die Waldesstille hinein.
Komplizen
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Wenn ich als Kind einen Schluckauf hatte, holte meine Mutter den Schlüssel zur Hintertür, zog mir den Kragen vom Hals und ließ das kalte Metall an meinem Rücken hinuntergleiten. Damals hielt ich das für eine normale medizinische – oder mütterliche – Prozedur. Erst später fragte ich mich, ob dieses Heilverfahren nur durch Ablenkung funktionierte, oder ob es vielleicht auch eine klinische Erklärung dafür gab, ob zwischen den Sinnen eine direkte Wechselbeziehung bestand.
Als ich zwanzig war und hoffnungslos verliebt in eine verheiratete Frau, die keine Ahnung von meiner Zuneigung und meinem Begehren hatte, bekam ich eine Hautkrankheit, deren Namen ich nicht mehr weiß. Mein Körper färbte sich von den Handgelenken bis zu den Knöcheln scharlachrot; erst juckte es so, dass selbst Galmeilotion nichts dagegen ausrichten konnte, dann schuppte sich die Haut, dann schälte sie sich ganz ab, und am Ende hatte ich mich gehäutet wie ein Reptil. Stückchen von mir fielen in Hemd und Hose, in die Bettwäsche, auf den Teppich. Die einzigen Körperteile, die nicht brannten und sich schälten, waren Gesicht, Hände und Füße sowie die Leistengegend. Ich fragte den Arzt nicht, warum das so war, und ich gestand der Frau nie meine Liebe.
Alsich geschieden wurde, ließ sich mein Freund Ben, ein Arzt, meine Hände zeigen. Ich fragte ihn, ob die moderne Medizin jetzt nicht nur wieder bei Blutegeln, sondern auch bei der Chiromantie angekommen sei; und wenn ja, ob dann bald Astrologie und Magnetismus und die Lehre von den Körpersäften folgen würden. Er antwortete, er sehe an der Farbe meiner Hände und Fingerspitzen, dass ich zu viel trinke.
Später überlegte ich, ob er mich mit diesem Trick dazu gebracht hatte, meinen Alkoholkonsum einzuschränken, und fragte ihn, ob er sich einen Scherz erlaubt oder einfach nur geraten habe. Er drehte meine Handflächen nach oben, nickte beifällig und sagte, jetzt werde er sich nach ungebundenen Medizinerinnen umsehen, die mich nicht allzu abstoßend fänden.
Das zweite Mal trafen wir uns auf einer Party bei Ben; sie hatte ihre Mutter mitgebracht. Hast du mal Mütter und Töchter zusammen auf einer Party beobachtet – und herauszufinden versucht, wer sich da um wen kümmert? Die Tochter sorgt dafür, dass Mama ein bisschen unter Leute kommt, die Mama will sehen, was für Männer um ihre Tochter herumschwirren. Oder beides zugleich. Selbst wenn sie so tun, als wären sie beste Freundinnen, flackert in ihrem Verhältnis oft eine zusätzliche Förmlichkeit auf. Missbilligung wird entweder gar nicht zum Ausdruck gebracht oder in übertriebener Form, mit Augenrollen und theatralischem Schmollen und dem Spruch: »Auf mich hört sie ja sowieso nicht.«
Wir bildeten einen engen Kreis mit einem vierten Menschen, der meinem Gedächtnis entfallen ist. Sie stand mir gegenüber und ihre Mutter links von mir. Ich versuchte, mich ganz natürlich zu geben, was immer das heißen mag, undgleichzeitig einen guten Eindruck zu machen, wenn nicht gar regelrecht zu gefallen. Das heißt, der Mutter zu gefallen; ich erkühnte mich nicht, ihr direkt gefallen zu wollen – jedenfalls nicht vor anderen Leuten.
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