Unberuehrbar
schmierigen Hände an der Hose ab und griff mit der Rechten nach seinem Revolver. Mit der anderen nahm er entschlossen Blues Hand in seine und ignorierte, dass sowohl sie als auch Elizabeth unwillkürlich zusammenzuckten. Red aber sah nur Kris an, der still und ernst lächelte. »Wir sehen uns später.«
Kris nickte. Sein Blick war trotz des Lächelns sehr besorgt. »Pass auf dich auf.«
Red erwiderte das Nicken. »Versprochen. Ich komme zurück, mach dir keine Sorgen.«
Kris’ Lächeln verzerrte sich für einen Augenblick. Er begriff sehr gut, worauf Red damit anspielte. Was zwischen ihnen vorgefallenwar, war längst nicht aus der Welt. Aber er sagte nichts mehr.
Vor der Tür der Waschküche trennten sie sich. Wie sie es besprochen hatten.
Kapitel Sechs
Forschungsstation White Chapel, Kenneth, Missouri
Der kürzeste Weg in die Biotechnik führte über den Lastenaufzug am Ende des Flurs, in dem der Wäschekeller lag, hinauf ins Erdgeschoss, wo sich die Labore und Versuchsräume befanden. Der Aufzug war ein vergittertes, träges Monstrum, das krachte und dröhnte, als Kris den Hebel umlegte, der es in Bewegung setzte. Behäbig glitt es die wenigen Meter den düsteren Schacht hinauf, ehe es mit einer leichten Erschütterung wieder zum Stehen kam.
Kris drückte die schwere Tür auf, die sie vom Flur trennte, und ließ Elizabeth den Vortritt. Das Mädchen machte zwei rasche Schritte auf den grauen Kunststoffbelag hinaus, als könne sie dem Aufzug nicht schnell genug entkommen. Schon auf der kurzen Fahrt aufwärts hatte sie unverwandt auf die dunklen Flecken und Spritzer gestarrt, die die Innenwand des Schachts sprenkelten. Und nach allen Erfahrungen, die das Mädchen in den letzten Tagen hatte machen müssen, konnte sie vermutlich zumindest ahnen, was es war: Die progressiven Versuchsobjekte, die ebenfalls mit diesem Fahrstuhl transportiert wurden, blieben nicht immer in ihrer Apathie gefangen. Und auch wenn sie die Stahlfesseln selbst nicht zerreißen konnten, waren manche von ihnen doch wütend genug, dass sie einen abgetrennten Arm oder ein Bein nicht einmal richtig bemerkten. Aber von solchen Details, dachte Kris, blieb Elizabeth, die nun etwas unschlüssig auf dem Flur stand und sich umsah, doch besser verschont.
Auch hier oben brannte inzwischen Licht. Zu beiden Seiten erstreckte sich der fensterlose Gang mit den immer gleichen Türen. Links von ihnen endete er in einem Durchgang aus vergittertem Sicherheitsglas. Dahinter konnte Kris die Eingangshalle von White Chapel erahnen, die noch in Dunkelheit getaucht war.
Kris schloss die Tür zum Lastenaufzug hinter sich und trat hinter Elizabeth. Sanft legte er eine Hand auf ihren steifen Rücken. »Wollen wir?«
Unter dem Klang seiner Stimme lockerte sich Elizabeths Haltung unwillkürlich ein wenig. Kris führte sie den Gang entlang und weiter in die Station hinein. Während sie liefen, horchte er aufmerksam auf jedes Geräusch, öffnete sein Bewusstsein weit für jede noch so kleine Schwingung, die ihm hätte anzeigen können, dass ein anderer Vampir – Sid – sich in seiner Nähe aufhielt. Aber White Chapel schien genauso leer und verlassen wie am Morgen. Nicht einmal der vielstimmige Atem der Menschen und Bluter im zweiten Stock war zu hören. Ob sie beschlagnahmt worden waren? Vermutlich, schließlich konnte man sie nicht über Tage, vielleicht sogar Wochen unversorgt in der Station lassen.
Vor der Tür zum Labor und der dahinterliegenden Biotechnik blieben sie stehen. Über dem mattschwarzen Schlüsselfeld leuchtete ein rotes Lämpchen. Verschlossen. Aber als Kris die Kuppe seines Zeigefingers auf das Feld legte, wechselte die Farbe der Diode von Rot zu Grün.
Kris musste unwillkürlich lächeln. Cedric hatte seine Signatur also tatsächlich nicht aus dem hausinternen Schlüsselsystem gelöscht. Als hätte er von Anfang an gewusst, dass Kris irgendwann wieder hier auftauchen würde.
Er schob die Tür auf. Der scharfe Geruch nach Chemikalien drang ihm entgegen. Im Labor sah noch alles genauso aus, wieer es in Erinnerung hatte – penibel aufgeräumt und sauber, Janets Tisch links, Pei Lins rechts. An Pei Lins Mikroskop war noch der Monitor angeschlossen, doch sie hatte die Proben, an denen sie zuletzt gearbeitet haben musste, weggeräumt. Oder waren auch sie beschlagnahmt worden? Gut möglich. Auch die Laborjournale fehlten.
Kris sah zu der Luftschleuse hinüber, die in die Biotechnik führte. Ein aufgeregtes Kribbeln, gar nicht unangenehm,
Weitere Kostenlose Bücher