Unberuehrbar
hier nicht bleiben. Am besten, du verschwindest wieder dahin, wo du hergekommen bist. Und zwar so schnell wie möglich.«
Frei zuckte bei ihren Worten zusammen. Etwas funkelte plötzlich in Hannahs Augen, das sie nervös machte. Eine Unruhe, die nicht zu ihrem lockeren Tonfall passen wollte.
»Ich … würde mich gern erst noch hier umsehen«, bat sie unsicher. Wenigstens einmal wollte sie Reds Zimmer sehen. Einmal dort stehen, wo er gestanden hatte. Vielleicht gab es Hinweise, die Hannah noch nicht gefunden hatte. »Geht das nicht?«
Hannah hob die Brauen. Ungeduld zeichnete sich auf ihrem Gesicht ab. »Sag mal, hast du nicht zugehört? Wenn ich sage, du kannst nicht bleiben, dann meine ich das auch. Und wenn du tausendmal Blue bist – du bist eine Bluterin, und du bist in einem
Bloodstalkerhaus,
ist dir das eigentlich klar? Nur zu deiner Information: Seit Kris und die anderen weg sind, schnüffeln ein paar ziemlich militante Bluterhasser aus Europa hier rum. Die kennen Red nicht, die kennen dich nicht, und die machen dich platt, ehe du Piep sagen kannst, kapierst du das?«
Frei runzelte die Stirn. Militante Bluterhasser?
Bloodstalkers
? Sie verstand nur halb, wovon Hannah sprach, aber es klang ihr doch sehr nach Übertreibung. »Warum sollten sie? Ich hab ihnen nichts getan.«
Hannah presste den Handrücken gegen ihre Nasenwurzel. »Okay. Okay, du kommst vom Mond, oder? Du hast keine Ahnung, wer die
Bloodstalkers
sind, hab ich recht?«
Frei presste die Lippen zusammen und schüttelte den Kopf. »Sag’s mir.«
Hannah seufzte schwer. »Na schön. Pass auf. Es ist ganz einfach. Wir
Bloodstalkers
sind konservative Vampire, die euch Bluter hassen, weil ihr eine widernatürliche Lebensform seid. Wir bilden Menschen zu Jägern aus und bringen ihnen bei, wie man euch kaltmacht. Das große Ziel ist, alle Bluter wieder auszurotten. Ich hab dich laufenlassen, weil du Red kennst. Aber die Europäer machen keine Ausnahmen. Und deswegen verschwindest du von hier, ehe sie auftauchen. Ist das klar jetzt?«
Frei starrte Hannah ungläubig an. Eine Gruppe von Vampiren und Menschen, die nur existierte, um andere Vampire zu töten? Nein, berichtigte sich Frei. Um Bluter wie sie zu töten. Und Red hatte zu diesen Leuten gehört. Bedeutete das dann … dass auch er Bluter hasste? Frei schüttelte den Gedanken energisch ab. Nein. Red hatte sie gesucht.
Und war verschwunden, gleich nachdem er sie gefunden hatte. Nachdem er gesehen hatte, was aus ihr geworden war. War es möglich, dass Kris ihn gar nicht gezwungen hatte? War er vielleicht doch freiwillig gegangen und hatte sie zurückgelassen? Frei wurde übel. Nein, sie durfte so etwas nicht denken! Er war fort, weil sie eine Gefahr für ihn war. Aber jetzt nicht mehr! Sie würde beweisen, dass sie in seiner Nähe sein konnte, ohne ihm weh zu tun, wenn sie ihn bloß fand …
Sie hörte Hannah leise seufzen. Es klang resigniert – und mitleidig. »Also schön. Aber nur fünf Minuten! Kannst du laufen?«
Frei hob ruckartig den Kopf. Ob sie laufen konnte? Natürlich konnte sie. Jeder Knochen tat ihr weh, aber das war ja nichts Neues. So betrachtet, hatte sie die letzten Stunden immerhin fast ausschließlich damit verbracht, irgendwo herunterzufallen oder sich sonstwie zu verletzen oder an den Rand des Zusammenbruchs zu bringen. Allmählich gewöhnte sie sich daran. Und wenn es um Red ging, konnte sie auch in noch viel schlimmerem Zustand laufen, wenn es sein musste!
Aufgeregt stand sie auf und folgte Hannah in einen schmalen Flur, der zu beiden Seiten in einer Treppe endete. Links wanden sich die Stufen hinauf in den Turm, den Frei schon von außen gesehen hatte. Rechts führte eine schlichte Holztreppe in die unteren Stockwerke. Und dorthin ging Hannah. Sie führte Frei durch eine Tür am Fuß der Treppe und einen Korridor voll staubiger Dunkelheit entlang. Und schließlich blieben sie vor einer Tür stehen, die genauso aussah wie alle anderen – aus glattem, dunklem Holz und mit verschlungenen Schnitzereien verziert. Hannah zog einen Schlüssel aus der Tasche und drehte ihn im Schloss. Die Tür sprang auf, und Hannah trat zur Seite, um Frei den Vortritt zu lassen.
»Vielleicht bist du dann ja endlich zufrieden«, murmelte sie.Hinter der Tür lag ein kleiner Raum, der mit wenigen altmodischen Möbeln dürftig eingerichtet war. Ein breites Bett, ein Nachttisch, ein Kleiderschrank – sonst nichts. Keine Besonderheiten, die ins Auge sprangen oder darauf hingewiesen hätten,
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