Unbescholten: Thriller (German Edition)
schauten einander an. Hector wollte etwas sagen, unterließ es aber und nahm Blickkontakt zu einer Frau hinter dem Tresen auf. Er winkte ihr und bat um Wasser.
Sie tranken schweigend. Draußen starteten und landeten Flugzeuge, an das Dröhnen der Jetmotoren hatten sie sich mittlerweile gewöhnt.
»Wie geht es deinem Sohn?«, fragte Hector vorsichtig.
»Nicht gut.«
»Was sagen die Ärzte?«
»Nichts Neues.«
»Was wolltest du mir im Restaurant erzählen?«, fragte Hector.
»Es spielt keine Rolle mehr.«
Hector musterte sie. »Bitte, sag es mir.«
Sophie beugte sich nach vorn. »Ich wollte dir sagen, dass Michail und sein Freund Jens um Hilfe gebeten haben. Als die Russen dann das Lokal stürmten, hatte Jens Michail nur um einen Gegengefallen gebeten. Michail war nicht gekommen, um dir etwas anzutun. Jens hatte ihnen eine SMS aus dem Restaurant geschrieben.«
»Woher wusstest du das?«
»Weil ich bei Jens war, als sie kamen.«
»Was wolltest du bei ihm?«
»Wir kennen uns von früher.«
Hector hob eine Augenbraue.
Eine Turbo-Prop-Maschine flog über sie hinweg.
»Weißt du noch, wie ich im Restaurant auf dich gewartet habe, als Michail und sein Kumpel das erste Mal kamen? Wir wollten zusammen essen, du und ich, aber du kamst lange nicht zurück an den Tisch. Ich ging ins Büro und sah Jens bewusstlos am Boden liegen. Da hatte ich ihn seit über zwanzig Jahren nicht mehr gesehen, es war ein wahnsinniger Zufall.«
Hector betrachtete sie. Er verzog keine Miene.
»Gestern kam Michail wieder nach Schweden, um den Deutschen im Karolinska-Krankenhaus abzuholen«, fuhr Sophie fort. »Die Polizei kam dazu und schoss ihm in den Arm. Michail hatte Jens’ Nummer, rief ihn an und bat ihn um Hilfe. Ich habe ihnen beim Versorgen der Wunde geholfen.«
Hector sah sie abwartend an. »Und dann?«
»Dann bin ich zum Restaurant gefahren, ich wollte zu dir.«
»Um mir das zu erzählen?«
»Nein. Wir brauchten Hilfe, weil die drei Russen hinter uns her waren. Wir wussten nicht, wo wir sonst hätten hinfahren sollen.«
Diese Antwort schien Hector zu gefallen. »Wer waren diese Russen?«, fragte er.
»Kunden von Jens.«
Hector dachte nach.
»Hast du eine Affäre mit ihm? Was ist da zwischen euch?«, fragte er schließlich.
Sophie schüttelte den Kopf. Aber sie spürte, dass es in dieser Situation kaum eine Rolle spielte, wie sie antwortete. Hector war misstrauisch und eifersüchtig. Was wollte Hector nur von ihr?, fragte sie sich nicht zum ersten Mal. Warum hatten sie sich überhaupt kennengelernt? War es doch kein Zufall, dass sie sich im Krankenhaus begegnet waren?
Hector unterbrach ihre Gedanken. »Ich traue ihm nicht. Er ist ein Mann des Zufalls, das war er schon, als wir uns zum ersten Mal begegnet sind.«
»Er hat uns im Trasten das Leben gerettet.«
Hector wollte jetzt der Sache auf den Grund gehen. Er dachte über Jens nach, aber Sophie unterbrach seine Gedanken mit einer sehr direkten Frage: »Wer bist du eigentlich, Hector? Was willst du von mir?«
In dem Augenblick kam der Aufruf, dass ihr Flug zum Einsteigen bereit sei. Sie sahen einander in die Augen. Hector senkte als Erster den Blick und stand auf. Vor einem großen Fenster stand jetzt die Gulfstream.
Wenig später saß Sophie in einem beigefarbenen Ledersessel neben Hector. Das Flugzeug rollte auf die Startbahn, Sophie wurde von der Beschleunigung in den Sitz gedrückt. Sie stiegen steil nach oben und waren schnell zwischen den Wolken.
Was würde mit Albert geschehen, dachte Sophie in diesem ersten Moment der Ruhe. Sie saß in einem Flugzeug, das sie von ihm fortbrachte, es gab nichts, was sich verkehrter anfühlen konnte. Ein übergroßes Schuldgefühl erfüllte sie. Sie wusste, dass sie es sich nie verzeihen würde, ihren Sohn jetzt allein gelassen zu haben. Sie hatte ihn unabsichtlich in die Sache mit hineingezogen und trug Schuld an dem, was ihm zugestoßen war.
Aber hatte sie überhaupt die Wahl gehabt, in Stockholm zu bleiben?
Sophie sah Inseln und Wasser zwischen den Wolken durchblitzen. Hector löste seinen Gurt, stand auf und ging nach hinten. Mit zwei Gläsern und zwei Flaschen Bier kam er zurück. Sophie war nicht nach Bier, und sie lehnte ab. Er setzte sich wieder und nahm einen Schluck direkt aus der Flasche.
»Wir werden in Málaga landen. Ich bringe dich zu meinem Vater, dann muss ich weiter.«
»Wohin?«
»Die Polizei wird eine internationale Fahndung nach mir herausgeben. Mein Vater wird sich um dich kümmern.«
»Sich
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