Unbescholten: Thriller (German Edition)
hereingekommen war, hatte Hector diesen Irrsinn bei ihm bemerkt. Es war genau wie bei Don Ignacio Ramirez und ihrem ersten Treffen vor Jahrzehnten. Erstaunlicherweise aber mochte Hector diesen Zug an anderen Menschen, er gab ihm ein Gefühl der Zusammengehörigkeit, ja fast Seelenverwandtschaft. Hector beschloss deshalb, Alfonse zu mögen.
»Dann haben wir ein Problem«, erklärte Alfonse.
Hector zuckte mit den Schultern. »Ich weiß nicht, ob das wirklich ein Problem ist – nennen wir es lieber Unterbrechung.«
»Das Wort gibt es in unserer Sprache nicht. Don Ignacio rechnet mit eurem Geld für seine Dienste. Wenn ihr eine Unterbrechung einlegt, wie du sagst, dann hat das keinen Einfluss auf unsere Vereinbarung.«
»Aber wir haben keine solche Vereinbarung, lieber Alfonse.«
»Don Ignacio ist da anderer Meinung.«
Hector überlegte. »Kann ich dir etwas anbieten?«
Alfonse schüttelte den Kopf. »Was sind das für Probleme? Können wir euch dabei helfen? Diese Deutschen – vielleicht können wir euch behilflich sein?«
Hector wusste, dass Alfonses Hilfe ihn auf Dauer teuer zu stehen kommen konnte. »Nein, wir kommen schon zurecht. Es sind keine bedeutenden Probleme.«
»Erzähl.«
Hector nahm einen tiefen Zug aus dem Zigarillo.
»Aus irgendeinem Grund sind sie ins Geschäft eingestiegen und haben dann unsere Route an sich gerissen. Sie haben unsere Leute bedroht und Schmiergelder gezahlt. Wir haben uns alles zurückgeholt, aber der Kapitän des Schiffes, das wir benutzt haben, will es vorerst einmal ein bisschen ruhiger angehen lassen.«
Alfonse überlegte kurz. »Dann gibt es zwei Möglichkeiten«, sagte er.
Hector blickte ihn an.
»Entweder seht ihr zu, dass ihr bezahlt, wir füllen eure Lager in Paraguay, und ihr bringt unsere Lieferung dann irgendwie auf den Markt.«
»Oder?«
»Oder wir nehmen Kontakt zu euren deutschen Freunden auf. Sie scheinen mehr an dem Geschäft interessiert zu sein als ihr.«
Hector und Alfonse maßen einander mit Blicken. Hector musste lächeln, dass er diesem Burschen so leicht in die Falle gegangen war.
»Wir machen weiter wie gehabt«, erklärte er. »Ihr füllt unser Lager auf, und ich schicke Geld – gebt mir nur ein bisschen Zeit.«
Alfonse bedankte sich mit einem Kopfnicken.
»Und was hast du heute noch vor mit deinen Landsleuten in Stockholm?«, fragte Hector.
»Wir werden irgendwo essen gehen.«
Alfonse schaute auf seine Armbanduhr.
»Anschließend wollen wir noch in einem Club Salsa tanzen, den Namen habe ich vergessen. Willst du vielleicht mitkommen?«
»Danke, aber ich habe schon etwas anderes vor.«
»Dann machen wir unsere Vereinbarung fest, bevor ich nach Hause fliege?«
»Wann immer es dir passt.«
Alfonse verließ Hectors Büro, trat auf die Straße und wandte sich nach links. Hasse Berglund wartete einen Moment, dann stand er auf, rollte seine Zeitung zusammen und folgte dem eleganten Kolumbianer.
––––––––
Gunillas Handy summte. Die Nummer, die im Display angezeigt wurde, kannte sie nicht.
»Ja?«
»Ist da Gunilla Strandberg?«
»Wer will das wissen?«
»Ich heiße Sara Jonsson und würde Sie gern treffen.«
»Kennen wir uns?«
»Eigentlich nicht. Mein Exfreund arbeitet für Sie.«
»Ach ja?«
»Lars Vinge.«
Jetzt fiel der Groschen. Sara Jonsson, Gunilla wusste, dass sie als freie Kulturjournalistin arbeitete. Lars hatte beim Vorstellungsgespräch von ihr erzählt. Gunilla hatte sich über sie informiert: Sara veröffentlichte selten etwas.
»Natürlich. Geht es um etwas Bestimmtes?«
»Das werde ich Ihnen persönlich sagen.«
Gunilla hörte mehr auf die Stimme als auf den Wortlaut. Die Frau war angespannt und nervös und versuchte, das durch ihren harschen Ton zu kaschieren.
»Wo wollen Sie mich treffen, Sara?«
»Wir können uns im Djurgården treffen, am Djurgårdsbrunnen. In einer Stunde.«
»So dringend ist es?«
»Ja.«
Gunilla lächelte kurz, als sie das Gespräch beendete.
Erik und Gunilla parkten vor dem Djurgårdsbrunnen. Sara Jonsson wartete am Eingang. Ihr zerzaustes Haar hatte sie zu einem nachlässigen Zopf zusammengebunden. Sie trug eine billige, verwaschene Bluse, eine dunkle Sonnenbrille und einen knielangen Rock.
Ihr Händedruck bei der Begrüßung war kalt und feucht, und die Sonnenbrille konnte die Angst in ihrem Blick nur notdürftig verbergen.
»Gut, Sara, wollen wir ein Stück gehen, oder sollen wir uns lieber hinsetzen?«, fragte Gunilla.
»Nein, ich möchte, dass wir ein
Weitere Kostenlose Bücher