Und am Ende siegt die Liebe
flatterte auf den Boden, und auf jedem Blatt befan-den sich vier Kleiderentwürfe in Wasserfarben. »Sind das die Modelle, die Sie sich ausgesucht haben?«
Als Regan die Blätter zur Hand nahm, nickte sie und lächelte leise. Es waren wunderschöne Modelle, und die Entwürfe an sich schon Kunstwerke.
Als sie beide nun den Inhalt der Truhe genauer untersuchten, stellten sie fest, daß jedes Kleid und jeder Mantel bereits zugeschnitten waren und alles, was sonst noch dazugehörte, in die Stoffe eingewickelt war.
»Da brauche ich ja nur noch einzufädeln und loszulegen«, sagte Sarah schmunzelnd, sammelte Skizzen und das dazugehörige Material ein und verließ die Kabine so plötzlich, wie sie sie betreten hatte.
Regan setzte sich wieder auf die Fensterbank, starrte minutenlang gedankenverloren die Kajütenwände an und fragte sich, welche Überraschungen die Zukunft wohl noch für sie bereithielte. Sie wünschte, Farrell hätte gewußt, daß sie in diesem Moment in einem Schiff saß, welches sie nach Amerika bringen sollte, und daß während der Überfahrt eine Garderobe für sie genäht wurde, um die sie selbst eine Prinzessin beneidet hätte.
Dann drangen allmählich die Geräusche in ihrer Umgebung zu ihrem Bewußtsein vor. Sie hatte sich von Kindheit an auf knappstem Raum bewegen müssen, so daß sie immer in einer Phantasiewelt gelebt hatte. Nun fiel ihr ein, daß die Kajütentür gar nicht abgeschlossen war und sie nur eine Treppe hinaufgehen mußte, und schon stand sie auf dem Deck eines real existierenden Schiffes.
Sie holte tief Luft und kam sich vor wie ein Vogel, den man aus seinem Käfig entläßt, als sie durch die Kajütentür ging und einem Moment im dunklen Flur davor am Fuß der Treppe anhielt. Sie fuhr erschrocken zusammen, als sich neben ihr noch eine Tür öffnete.
»Pardon«, hörte sie eine höfliche Männerstimme. »Ich ahnte nicht, daß jemand vor meiner Kajüte steht.« Als Regan nichts darauf sagte, fuhr die Stimme fort: »Vielleicht sollte ich mich zuerst einmal vorstellen, da wir offenbar Nachbarn sind. Oder wollen wir es korrekterweise dem Kapitän überlassen, uns miteinander bekannt zu machen?«
Daß ein Mann sich korrekt benahm, war für Regan nach ihren bisherigen Erfahrungen mit dem männlichen Geschlecht so etwas wie eine Offenbarung. »Wir sind Nachbarn«, sagte sie lächelnd. »Und vielleicht können wir deshalb ausnahmsweise einmal auf Förmlichkeiten verzichten.«
»Wenn Ihr gestattet — ich bin David Wainwright.«
»Und ich heiße Regan Alena. .. Stanford«, stellte sie sich mit dem Hintergedanken vor, ihre wahre Beziehung zu Travis zu verschleiern.
Nachdem er herausgekommen war und ihr artig die Hand gegeben hatte, fragte er, ob er sie auf das Oberdeck begleiten dürfe. »Ich glaube, das Schiff wird noch beladen. Es könnte amüsant sein, die Amerikaner zu beobachten, wenn sie unter sich sind, obwohl ich zugegebenermaßen zuweilen Schwierigkeiten mit ihrem Dialekt habe.«
Die Sonne schien warm und hell auf das Deck herunter, und Regan fühlte sich von der allgemeinen Erregung angesteckt, als sie die Männer geschäftig hin- und hereilen sah. Allerdings standen sie dort, wo sie dem Niedergang entstiegen waren, den Leuten im Wege, und so kletterten sie noch eine Treppe zum Quarterdeck hinauf. Dort oben konnten sie nicht nur das ganze Schiff überblicken, sondern auch das Treiben auf dem Kai daneben. Zunächst sah sich Regan jedoch ihren Begleiter erst einmal aus der Nähe an.
Er war klein und zierlich, hatte ein hausbackenes Gesicht und strohblonde Haare. Er trug einen Anzug aus gutem Wollstoff, eine tadellos weiße Krawatte und weiche Lederpantoffeln. Er gehörte zu jener Sorte von Gentlemen, an die sie von Kindheit an gewöhnt war: mit Händen, die dazu erschaffen schienen, über die Tasten eines Pianos zu gleiten oder lässig den Stiel eines Brandyglases zwischen den Fingerspitzen zu drehen. Und während sie Wainwrights lange, schlanke Hände betrachtete, drängte sich ihr der für sie peinliche Vergleich mit Travis’ plumpen Fingern auf, die vermutlich immer zwei Tasten auf einmal erwischen würden. Allerdings gelangen ihnen zuweilen auch überraschende Akkorde, wie Regan zugeben mußte.
Mit einem leisen Lächeln im Mundwinkel sah sie sich nach Travis um, während ihr David Wainwright auseinandersetzte, weshalb er sich in ein so rückständiges Land wie Amerika begeben mußte.
»Ich kann Euch gar nicht sagen, wie froh ich bin, daß eine englische Lady mit mir
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