Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Und da kam Frau Kugelmann

Und da kam Frau Kugelmann

Titel: Und da kam Frau Kugelmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minka Pradelski
Vom Netzwerk:
und schräg geschnittene, verwegene Augen. Und lange, knochige Finger mit einem überlangen mittleren Finger, der überragte wie ein guter Wächter die ganze Hand. Sein Gesicht war feinstes Porzellan, so als hätte es seine Mutter jeden Morgen nach dem Aufstehen mit einem Pinsel aufgemalt, mit einem winzigen Tupfen Gelb, damit die Blässe nicht so durchsichtig schien und Adams feine Äderchen vor unseren Blicken verborgen blieben.
    Adam war der begehrteste Junge an unserer Schule. Alle Mädchen außer der stolzen Polin waren hinter ihm her, und auch die Lehrer mochten ihn. Ich aber liebte ihn. In allen Pausen ging ich auf ihn zu, doch er wich mir aus. Alle warnten ihn schon, Achtung, die Bella kommt, auch wenn ich nicht kam. Aber mir genügte es, in seiner Nähe zu sein, ich holte ihn ein, lief hinter ihm her, versuchte nur, in seiner Fußspur zu bleiben, mehr wollte ich doch nicht, ich habe manchmal Riesenschritte unternommen oder bin kreuz und quer gelaufen, nur um in der Spur zu bleiben, die er gerade verlassen hatte. Alle um mich herum haben gelacht oder haben versucht, mich auf die falsche Fährte zu locken oder haben meine komischen Bewegungen sogar nachgeäfft. Ich aber habe mich auf mein Gefühl verlassen und immer die richtige Spur vom Adam gefunden, jedenfalls glaube ich das bis zum heutigen Tag.
    Als der Adam noch ein kleiner Junge war, gehörte er zu den Ausreißern unserer Schule. An manchen Tagen bekam er Stubenarrest, weil seine Mutter fühlte, dass er vorhatte auszureißen. Was sie aber nicht wusste war, dass der kleine Anführer Adam und sein Cousin Godel, der sich ihm gerne unterordnete, die samstäglichen Besuche bei der wohlhabenden Großmutter dazu nutzten, dieser regelmäßig Geld aus einer ihrer Sparbüchsen zu stehlen. Die blauen Sparbüchsen mit den geschwungenen hebräischen Buchstaben standen prächtig aufgereiht in ihrem französischen Salon und waren prall gefüllt mit Geld, das den armen Juden im fernen Palästina zugute kommen sollte. Adam und sein Cousin Godel konnten einfach nicht widerstehen und haben sich jede Woche eine andere Büchse vorgenommen, mit einer Eisenklinge den Schlitz vorsichtig erweitert, das Geld mit einem Magneten angezogen, die Büchse wieder zurechtgebogen und an ihren Platz zurückgestellt. Die beiden Diebe leisteten so gute Arbeit, dass die Großmutter den Diebstahl nicht bemerkte. Adams hellsichtige Mutter jedoch bestand bald darauf, die Burschen samstags zu ihrer Mutter zu begleiten, und hielt alle Sparbüchsen während des Besuchs scharf im Blick.
    Adams Mutter hatte stets ein wachsames Auge auf ihn. Sie wusste, wann der Adam vorhatte, die Schule zu schwänzen, und schickte ihm das Dienstmädel Bronka an diesem Morgen hinterher. Bronka versteckte sich hinter jedem Eckhaus und wartete ab, ob der kleine Adam wohl zur Schule gehen würde. Adam tat so, als bemerke er sie nicht, kontrollierte genau, ob sie hinter ihm her war, spielte Versteck, wartete ab, bis sie ihn im Blick hatte, verschwand, tauchte wieder auf. Kurz vor dem Schulgebäude schien er ernsthaft hineingehen zu wollen, täuschte sie aber zuletzt doch und rannte hinunter zum Fluss. Dort zog ihn Bronka aus einem Gebüsch hervor und schleifte den Widerspenstigen zur Schule.
    Der schöne Adam wurde nicht müde, sich immer wieder etwas Neues auszudenken. Er wollte weit von zu Hause wegrennen, um in der Ferne für eine gerechte Sache zu kämpfen. Deshalb kam er auf die Idee, eine Reise nach Abessinien anzutreten. Seite an Seite mit dem Kaiser Haile Selassie wollte er gegen die Italiener kämpfen, die das abessinische Volk unterdrückten, das hatte er einmal am Abend gehört, als der Vater der Mutter die neuesten Nachrichten vorlas. Nein, alleine wollte er die Reise in den Befreiungskampf nicht antreten, wozu hatte man einen besten Freund, den braven Godel, der obendrein noch willig war, zu gehorchen. Eigens für diese Reise beschaffte sich Adam eine Pistole, die hatte er dem Wachmann Ponakowski aus der Seifenfabrik regulär abgekauft, für 20 Zloty, mit der Begründung, er wolle im Garten schießen üben, wie man das so in den Kinofilmen sah.
    Die Reise sollte generalstabsmäßig vorbereitet werden, wie es sich für angehende Kämpfer gehört, mit Geld, das noch organisiert werden musste, aus irgendeiner Sparbüchse, und natürlich Proviant, weil doch der Adam ein Nimmersatt war. Adams Mutter fühlte, dass Adam einen besonders großen Ausflug vorhatte, und befahl dem Dienstmädchen, die Tür abzusperren,

Weitere Kostenlose Bücher