Und da kam Frau Kugelmann
Frau, sie betete, es mögen ihn Malachim, Engel, auf einer Sänfte zum Himmel hinauftragen. Da haben die Pokerfreunde während des Gebets gemurmelt, ein paar kräftige Asse seien dem fanatischen Spieler als Begleitung zum Himmel wohl tausendmal lieber.
Der Schmelewer hinterließ sechs unverheiratete Töchter. Das war sehr schlimm für die unverheirateten Töchter. Mirele kannte viele, die schon ganz alt waren, dreißig oder vierzig Jahre alt. Die haben einfach nur zu Hause herumgesessen und auf einen Mann gewartet. Besonders wenn sie arme Töchter waren, dann bekamen sie trotz der Bemühungen der Schadchente, der Heiratsvermittlerin, keinen Mann.
Arme Töchter ließen sich auch unter feinsinnigster Ausschmückung aller Tugenden kaum vermitteln. Deswegen sammelte der Gabbe, der Synagogenvorsteher, für die älteste Tochter des Schmelewer eine angemessene Summe, um auch sie verheiraten zu können. An den Bräutigam hatte man auch schon gedacht, die Wahl fiel auf Isrul, einen Vetter von Mendel mit dem schwarzen Fleck. Er war bettelarm, zu arm, um sich von einer Schadchente eine Braut vermitteln zu lassen. Darum musste er sein Glück alleine versuchen. Isrul lieh sich für die Brautschau den langen Überrock von Mendel aus. Im eleganten Überrock mit einem rückwärtigen Schlitz wollte er eine bessere Figur machen. Mendel lieh ihm sogar noch sein goldenes Monokel. Aber leider war alles vergeblich, denn die Älteste vom Schmelewer war wählerisch geworden. Isrul, beklagte sich die angehende Braut, setze das vornehme Monokel noch nicht mal auf, um sie anzusehen. Stattdessen prüfe er ständig die kostbare goldene Fassung des Monokels, als befürchtete er, dass das feine Glas durch das Gestikulieren seiner schwitzenden Hände einen Schaden nehmen könnte. Wie soll sie die Ehe mit einem Mann eingehen, fragte die Älteste der Schmelewertöchter ihre bestürzte Mutter, dem die Unversehrtheit eines Monokels mehr bedeute als das Wohlbefinden seiner zukünftigen Frau!
Jeden Vormittag, wenn das pummelige Mirele mit ihren beiden Freundinnen in die Volksschule ging, kamen sie an der Malachowskiego vorbei, und dort befand sich die nicht koschere Metzgerei. Um diese Metzgerei haben die Mädchen einen kleinen Bogen gemacht. Mirele und ihre Freundinnen hielten sich schon zwei Häuser vor der Metzgerei die Nase zu, weil sie das unkoschere Fleisch nicht riechen wollten, das in der christlichen Metzgerei verkauft wurde. Und Mirele hat dabei ihre Nase so fest zugepetzt, dass sie ganz weiß angelaufen ist. So sind die Freundinnen mit zugedrückter Nase an der Metzgerei vorbeigelaufen, und erst zwei Häuser weiter, an der nächsten Straßenecke, hat Mirele ihre Nase wieder losgelassen, damit sie die gute reine Luft einatmen konnte. Mireles Nase hat sich schnell erholt und wieder die frische rosige Farbe angenommen. Auf dem Rückweg von der Schule nach Hause war wieder dasselbe Spiel. Mireles feine Nase hätte sich sicher vor lauter Übung beim bloßen Anblick des Schildes ›Metzgerei‹ von selbst zusammengezogen, hätte Mirele es nur ein einziges Mal darauf ankommen lassen.
Freitagnachmittag ist Mirele mit ihren beiden Freundinnen und einem großen Korb von Haus zu Haus gegangen. Sie blieben vor jeder Tür stehen und riefen so laut sie konnten ›Lechem‹. Wie auf ein Zauberwort hin, öffneten sich alle Fenster, und es wurden goldene süße Challes, Mohnzöpfe hinuntergeworfen, die tags zuvor für das Einsammeln gebacken wurden. Für einen Moment sah es so aus, als sei man bereits angekommen im sagenumwobenen Land, wo Milch und Honig aus Himmel und Erde fließen. Manchmal war es schwierig, die Challes rechtzeitig aufzufangen, besonders dann, wenn sie gleichzeitig aus höheren Stockwerken geflogen kamen. Und damit auch keines der kostbaren Geschenke zu Boden fiel, fingen die beiden Freundinnen die Challes mit ihren langen Röcken auf. Mirele aber nahm die süßen Spenden entgegen, die die Treppen hinuntergetragen wurden, und oft war auch ein guter Kuchen dabei, der vorsichtig in den Korb gebettet werden musste. Manchmal, wenn der Spaß besonders groß war, fing auch Mirele die Challes mit dem Korb auf und federte sie weich mit den Händen ab. Es hat aber auch geizige Stockwerke gegeben, wo nur ein einziges Fenster geöffnet wurde, da haben die Freundinnen zu dritt den Korb genommen und sind unter das spendable Fenster gerannt. Mirele war es, die bei dieser schwierigen Übung stolperte, weil sie so unbeholfen war, aber meist haben
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