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Und dann gabs keines mehr

Und dann gabs keines mehr

Titel: Und dann gabs keines mehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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sagte er: «Da ist was dran.»
    «Jetzt geben Sie zu, dass ich Recht hatte», rief Vera.
    Er nickte. «Ja – der Punkt geht an Sie! Es ist Armstrong. Aber wo, zum Teufel, hat er sich versteckt! Wir haben alles haarklein, bis in die letzte Ecke, durchkämmt.»
    «Wenn Sie ihn letzte Nacht nicht gefunden haben, werden Sie ihn auch jetzt nicht finden», mahnte Vera eindringlich. «Das sagt einem der gesunde Menschenverstand!»
    «Ja, aber…»
    «Er muss sich schon vorher ein Versteck eingerichtet haben – natürlich – genauso wird er es gemacht haben. Denken Sie an die geheimen Kammern in alten Schlössern.»
    «Das ist aber hier kein altes Schloss.»
    «Er hätte es sich einbauen lassen können.»
    Lombard schüttelte den Kopf.
    «Wir haben das Gebäude vermessen – am allerersten Morgen. Ich kann schwören, dass wir hier jeden Kubikmeter Raum kennen. Es gibt keine geheime Kammer.»
    «Es muss eine geben…», sagte Vera.
    «Ich möchte nachsehen –», begann Lombard.
    Sofort unterbrach Vera ihn. «Sie möchten nachsehen! Und das weiß er! Er ist da drin und wartet auf Sie.»
    Lombard zog den Revolver ein Stück weit aus seiner Tasche.
    «Ich habe immer noch das hier», sagte er.
    «Sie haben gesagt, Blore könnte nichts zustoßen – er wäre Armstrong überlegen. Körperlich war er das, und vorsichtig war er auch. Aber Sie begreifen nicht, dass Armstrong wahnsinnig ist! Und ein Wahnsinniger hat alle Trümpfe in der Hand. Er ist doppelt so gerissen wie jeder normale Mensch.»
    Lombard steckte den Revolver in seine Tasche zurück.
    «Kommen Sie.»
     

IV
     
    «Was wollen Sie tun, wenn es Nacht wird?», fragte Lombard schließlich.
    Vera antwortete nicht. Vorwurfsvoll fuhr er fort: «Haben Sie sich das noch nicht überlegt?»
    «Was können wir denn tun?», antwortete sie hilflos. «Mein Gott, ich habe solche Angst…»
    «Das Wetter ist gut», sagte Lombard nachdenklich. «Der Mond wird am Himmel stehen. Wir müssen eine Stelle finden – ganz oben auf der Spitze der Klippen vielleicht. Da können wir uns hinsetzen und auf den Morgen warten. Wir dürfen auf gar keinen Fall einschlafen… wir müssen die ganze Zeit über aufpassen. Und wenn jemand zu uns heraufkommt, werde ich schießen!»
    Er schwieg. Dann fragte er: «Wird Ihnen nicht kalt in diesem dünnen Kleid?»
    «Kalt?», antwortete Vera mit einem rauen Lachen. «Wenn ich tot bin, ist mir kälter.»
    «Das ist wahr», sagte Lombard ruhig.
    Vera rutschte ruhelos hin und her.
    «Ich werde wahnsinnig, wenn ich noch länger hier sitze. Lassen Sie uns etwas laufen.»
    «Einverstanden.»
    Langsam stiegen sie hoch und wieder runter, sie folgten einer Reihe Felsen, von denen man hinunter aufs Meer sehen konnte. Die Sonne neigte sich gen Westen. Das Licht war mild und golden. Es hüllte sie in einen goldenen Glanz.
    «Schade, dass wir nicht baden können… », sagte Vera und kicherte unvermittelt nervös.
    Philip blickte aufs Meer hinunter. Plötzlich fragte er: «Was ist das dort? Sehen Sie das – bei dem großen Felsen da! Nein – etwas weiter rechts.»
    Vera starrte dorthin. «Sieht aus wie Kleider!», vermutete sie.
    «Da badet einer, was?» Lombard lachte. «Merkwürdig. Bestimmt ist es nur Seegras.»
    «Gehen wir nachsehen», schlug Vera vor.
    «Es sind Kleider», rief Lombard, als sie näher kamen. «Ein ganzes Bündel. Das da ist ein Stiefel. Kommen Sie, klettern wir hier lang!»
    Sie kletterten mühsam über die Felsen.
    Plötzlich blieb Vera stehen:
    «Das sind keine Kleider – das ist ein Mensch…»
    Der Mann lag eingekeilt zwischen zwei Felsen, hinaufgeschwemmt von der morgendlichen Flut.
    Mit einer letzten Kraftanstrengung erreichten sie die Stelle. Sie beugten sich nach unten.
    Ein bläulich verfärbtes Gesicht – das schreckliche Gesicht eines Ertrunkenen…
    «Mein Gott!», sagte Lombard. «Es ist Armstrong…»

Sechzehntes Kapitel

I
     
    L ichtjahre zogen vorbei… Welten breiteten sich aus und wirbelten durcheinander… Die Zeit war ohne Bewegung… Sie stand still – durchlief Tausende von Zeitaltern…
    Nein, es dauerte nur einen kurzen Augenblick. Zwei Menschen standen da und blickten hinunter auf einen toten Mann…
    Langsam, sehr langsam hoben Vera Claythorne und Philip Lombard den Kopf und sahen sich in die Augen.
     

II
     
    Lombard lachte.
    «Das wär’s ja dann. Oder, Vera?»
    Vera sagte: «Es gibt niemanden auf der Insel – überhaupt niemanden – außer uns beiden…»
    Ihre Stimme war ein Flüstern – mehr

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