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Und dann gabs keines mehr

Und dann gabs keines mehr

Titel: Und dann gabs keines mehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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nicht.
    «Genau», antwortete er. «Jetzt wissen wir, woran wir sind, nicht wahr?»
    «Wie hat das funktioniert, der Trick mit dem Marmorbär?»
    Er zuckte mit den Schultern.
    «Ein Zaubertrick, meine Liebe – ein sehr guter…»
    Ihre Augen trafen wieder aufeinander.
    «Warum habe ich sein Gesicht vorher nie wirklich gesehen?», dachte Vera. «Ein Wolf – genau das ist es, ein Wolfsgesicht… diese schrecklichen Zähne…»
    Mit einem gefährlich bedrohlichen Knurren in der Stimme sagte Lombard: «Dies ist das Ende, verstehen Sie? Die Stunde der Wahrheit. Und das Ende…»
    «Ich verstehe…», antwortete Vera ruhig.
    Sie sah auf das Meer hinaus. General MacArthur hatte auf das Meer gestarrt – war das erst gestern? Oder war es der Tag vorher? Auch er hatte gesagt: «Dies ist das Ende…»
    Er hatte es gesagt, als würde er es akzeptieren, als würde er es willkommen heißen.
    Aber Vera rebellierte gegen dieses Wort – diesen Gedanken. Nein, das konnte nicht das Ende sein.
    Sie blickte hinab auf den toten Mann und murmelte: «Armer Dr. Armstrong…»
    Lombard grinste höhnisch. «Was ist das? Weibliches Mitleid?»
    «Warum nicht? Haben Sie nicht auch Mitleid?», fragte sie.
    «Mit Ihnen habe ich kein Mitleid», erwiderte er. «Erwarten Sie das bloß nicht.»
    Vera blickte wieder auf den toten Körper hinunter.
    «Wir müssen ihn wegbringen», sagte sie. «Ins Haus tragen.»
    «Zu den anderen Opfern, nehme ich an? Alles sauber und ordentlich. Was mich angeht, kann er bleiben, wo er ist.»
    «Lassen Sie ihn uns wenigstens dahin tragen, wo das Meer ihn nicht mehr erreicht», schlug sie vor.
    Lombard lachte. «Wenn Sie das wünschen.»
    Er bückte sich und zog an dem toten Körper. Vera stützte sich auf ihn und half. Sie zog und zerrte mit ihrer ganzen Kraft.
    Lombard keuchte. «Harte Arbeit.»
    Schließlich hatten sie es geschafft und den toten Körper aus dem Bereich der Flut herausgezogen.
    Lombard richtete sich wieder auf. «Zufrieden?»
    «Völlig», sagte Vera.
    Ihr Tonfall warnte ihn. Er wirbelte um die eigene Achse. Als er mit der Hand an seine Tasche fuhr, wusste er, dass sie leer sein würde.
    Sie hatte sich zwei Schritte wegbewegt und stand ihm gegenüber, den Revolver in der Hand.
    «Das ist also der Grund für Ihre weibliche Besorgnis! Sie wollten meine Tasche filzen.»
    Sie nickte. Fest und mit ruhiger Hand hielt sie den Revolver.
    Der Tod war für Philip Lombard jetzt ganz nah. Er wusste, dass er ihm noch nie näher gekommen war.
    Trotzdem gab er sich noch nicht geschlagen.
    «Geben Sie mir den Revolver», befahl er.
    Vera lachte.
    «Machen Sie schon», forderte er sie auf. «Geben Sie ihn mir.»
    Sein Gehirn arbeitete auf Hochtouren. Wie – womit – konnte er sie rumkriegen – in falscher Sicherheit wiegen oder mit einem schnellem Sprung –
    Sein Leben lang hatte Lombard das Risiko gewählt. Er wählte es jetzt. Er sprach langsam, bemüht, sie zu überzeugen.
    «Aber nicht doch, Mädchen, hör mir einfach einmal zu…»
    Und dann sprang er. Schnell wie ein Panter – wie eine Raubkatze…
    Automatisch drückte Vera ab…
    Lombards vorschnellender Körper hielt mitten im Sprung inne, dann krachte er schwer auf den Boden.
    Vera trat vorsichtig nach vorn, den Revolver einsatzbereit in der Hand.
    Aber es bestand kein Grund zur Vorsicht.
    Philip Lombard war tot – erschossen mit einer Kugel mitten durch das Herz…
     

III
     
    Erleichterung ergriff Vera – enorme, wunderbare Erleichterung.
    Endlich war es vorbei.
    Es gab keine Furcht mehr – kein mühsames Sichzusammenreißen…
    Sie war allein auf der Insel…
    Allein mit neun Leichen…
    Aber was hatte das noch für eine Bedeutung? Sie lebte…
    Sie saß da – unendlich glücklich – unendlich friedlich…
    Ohne jede Furcht…
     

IV
     
    Die Sonne ging unter, als Vera sich endlich bewegte. Die Ereignisse hatten sie gelähmt. In ihr war für nichts anderes Raum gewesen als für dieses wunderbare Gefühl von Sicherheit.
    Jetzt spürte sie, dass sie hungrig und müde war. Vor allem müde. Sie wollte nichts als sich auf ihr Bett werfen und schlafen, schlafen, schlafen…
    Vielleicht morgen schon würden sie kommen und sie retten – aber es war ihr egal. Es machte ihr nichts aus, hier zu bleiben. Nicht jetzt, wo sie allein war.
    O himmlischer, süßer Frieden…
    Sie sprang auf und blickte zum Haus hoch.
    Sie brauchte keine Angst mehr haben! Keine Schrecken warteten mehr auf sie! Nur ein ganz normales, schönes, modernes Haus. Und doch war sie

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