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Und dann kam Paulette (German Edition)

Und dann kam Paulette (German Edition)

Titel: Und dann kam Paulette (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Constantine
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stieß sie etwas schroff weg. Danach machte sie das Fenster auf, um sie rauszulassen.
    «Für heute ist es gut. Gestreichelt wird morgen wieder. Also wirklich. Am Ende kommen wir deinetwegen noch zu spät. Gute Güte, Hortense, es ist neun Uhr! Jetzt aber schnell.»
    Und sie raste zum Klo. Hortense warf einen Blick auf ihren Merkzettel, der neben dem Geschirrschrank an der Wand hing. Neun Uhr: Wellensittiche. Zehn Uhr: Morgentoilette. Hatte sie es doch gewusst! Daraufhin öffnete sie die Käfigtür, wechselte das Wasser und hängte einen neuen Hirsezweig auf. Dann sah sie zu, wie die Vögel daran herumpickten.
    In dem Moment setzte etwas bei ihr aus.
    Aus den Augenwinkeln konnte sie zwar erkennen, dass es schon zehn nach neun war, und sie wusste auch, dass sie etwas tun musste. Schlimmer noch, sie wusste sogar genau, was, doch auf einmal war da gar nichts mehr. Sie hatte keine Lust, sich zu bewegen, keine Lust zu gar nichts. Sie wollte einfach nur stehen bleiben und den Vögeln zusehen, was sie auch tat. Nach einer Weile überlegte sie, dass das Simone, wenn sie ihr großes Geschäft verrichtet hatte und zurückkäme, überhaupt nicht gefallen würde. Sie musste sich am Riemen reißen, weitermachen. Schnell schloss sie die Augen und ging im Geiste noch einmal das morgendliche Programm durch, wie ein Hochleistungssportler vor seinem Rennen. Zehn Uhr: Morgentoilette. Den Schrank unter der Spüle aufmachen, die zwei Schüsseln herausholen, die Waschlappen und die Suppenkelle vom Haken nehmen, aus dem Kochtopf auf dem Ofen heißes Wasser schöpfen, ohne dabei etwas zu verschütten, erst Simones Schüssel füllen, die rote, dann ihre eigene, die blaue, den Waschlappen überstreifen, einseifen, mit dem Gesicht beginnen, dann den Hals, die Achselhöhlen, den Schritt …
    Aber die Blockade löste sich nicht. Hortense wurde ganz unruhig.
    In dem Moment kam Simone vom Klo. Sie merkte, dass etwas nicht stimmte. Langsam ging sie auf Hortense zu, nahm ihre Hand, redete fast im Flüsterton auf sie ein, als wäre sie eine Schlafwandlerin.
    «Ist nicht schlimm, Hortense, keine Angst. Sieh mich an. Ich bin nicht böse. Und außerdem, ob wir gewaschen sind oder nicht, wen kümmert’s? Kein Mensch wird den Unterschied sehen. Das ist unser kleines Geheimnis. Wir machen uns einen Spaß draus. Wenn die Leute auf uns zukommen, um uns zu begrüßen, dürfen wir uns nur nicht anschauen, in Ordnung? Ich kann mich sonst nicht beherrschen. Und außerdem: Wenn wir zu sehr stinken, nehmen wir einfach etwas mehr Kölnischwasser als sonst.»
    Hortense kicherte.
    Sie zogen sich an. Bespritzten sich mit Parfüm und stießen dabei leise Schreie aus. Dann setzten sie sich gegenüber der Tür auf ihre Stühle und holten ihre Nadeln sowie die Wollknäuel heraus.
    Mittlerweile ist es elf Uhr. Sie stricken seit mehr als einer Stunde, während sie darauf warten, abgeholt zu werden.
    Hortense dämmert kurz weg. Sie kann sich nicht daran erinnern, was heute auf dem Programm steht, aber sie vertraut Simone, deren Gedächtnis keine Aussetzer kennt. Sie braucht sich auch nichts aufzuschreiben, sie vergisst nichts. Wären sie nicht zu zweit, wäre Hortense komplett aufgeschmissen.

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    23
    Hinterher bei Guy
    Roland kümmert sich ums Buffet. Er hat nichts Aufwendiges geplant, eine kleine Stärkung für alle. Draußen ist es ungemütlich, nasskalt und neblig. Eine anständige Gemüsesuppe, für die Kinder mit extra Buchstabennudeln, in der Hoffnung, dass sie Spaß daran haben. Danach gibt es gefüllte Fleischtaschen und kleine Kartoffelpasteten. Die machen satt und sind praktisch, man kann sie mit den Fingern essen, und der Abwasch fällt kleiner aus.
    Aber zuerst macht er noch einmal Glühwein. Der geht weg wie nichts, der Topf ist fast leer.
    Alle haben rosige Bäckchen, glänzende Augen und unterhalten sich ziemlich laut. Das liegt aber nicht nur am Wein. Die meisten in der Runde sind alt, und nicht alle haben ihr Gebiss dabei. Das macht die Sache nicht leichter.
    In einer Ecke unterhalten sich Isabelle und Marceline.
    Es ist das erste Mal, dass sie mehr als drei Sätze miteinander wechseln. Marceline und Gaby waren miteinander befreundet, das verbindet sie. Isabelle bedankt sich bei Marceline, weil sie für ihre Tante Cello gespielt hat. Es hat etwas Sanftes, etwas Friedliches gehabt. Sie wusste gar nicht, dass Marceline Musikerin war. Wie hätte sie es auch ahnen können, sie sieht sie immer nur mit ihrem Eselskarren, wie sie auf dem

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