Und dann kam Paulette (German Edition)
unterhalten.
Ferdinand setzt sich zu ihr ans Bett.
Du bist ja hübscher denn je, kleine Gaby, mit deiner Haarspange und der Kamelie. Gar-de-nie, knurrt sie. Ach ja, merkwürdig, dass ich mir diesen Namen nicht merken kann.
Sie bedeutet ihm, sich zu ihr hinunterzubeugen, flüstert ihm ins Ohr. Sie sagt ihm, wenn sie nicht mehr da ist, dann soll er auf Guy aufpassen. Anfangs wird er ohne sie womöglich eine schwere Zeit durchmachen. Ferdinand soll ihm seine Verpflichtungen in Erinnerung rufen, Isabelle und die beiden Kleinen werden ihn brauchen. Sie hat Angst, dass er das vergisst. Und sollte ihn je der Wunsch überkommen, ihr zu folgen, soll Ferdinand ihm sagen, dass sie alle Zeit der Welt hätten, sich wiederzusehen. Vielleicht sogar die Ewigkeit. Sie sieht Ferdinand an, wartet auf seine Antwort. Er ist ganz ergriffen, küsst ihr die Stirn. Natürlich wird er Guy das sagen. Und er wird ihm auch einen Tritt in den Hintern geben, wenn er nicht spurt, ihr Kerl. Sie kann sich auf ihn verlassen. Gaby lächelt, schließt erschöpft vom vielen Reden die Augen. Jetzt kann sie beruhigt schlafen.
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20
Gaby riecht nach Veilchen
Als Isabelle von Gabys Zustand erfuhr, wollte sie sie sofort ins Krankenhaus bringen. Bestimmt hatte jemand einen Fehler gemacht, sich in der Akte geirrt, es war doch nur eine schwere Grippe gewesen, oder? Warum wollte bloß keiner auf sie hören? Dann begriff sie, dass es kein Irrtum war, Gaby würde wirklich sterben. Sie fühlte sich verraten. Zum zweiten Mal in ihrem Leben würde eine Mutter sie im Stich lassen, das könnte sie niemals verzeihen. Zwei Tage lang kam sie nicht zu Besuch. Am dritten holte Guy sie ab. Sie weinten ganz viel. Am Ende sahen sie sich in die Augen, nahmen sich in den Arm. Sie waren durch denselben Kummer verbunden. Zusammen würden sie es schaffen, nicht den Boden unter den Füßen zu verlieren.
Am nächsten Tag rief Marceline an. Sie wollte am späten Vormittag vorbeikommen. Gaby war schon sehr geschwächt, bat Guy aber, sie für den Anlass schön zu machen. Sie entschied sich für das schwarze Kleid mit den Spitzen am Hals. Anschließend wollte sie gekämmt werden. Er berührte ihre Haare nur leicht mit der Bürste und bändigte sie mit einer Spange, wieder die mit der Gardenie. Zum Abschluss bat sie ihn um einen Tropfen Parfüm ans Ohr. Das mit Veilchenduft, ein kleiner Hauch von Frühling. Jetzt war sie so weit. Gleich darauf kam Marceline. Während sie das Cello aus der Tasche nahm, begannen ihre Hände zu zittern. Sie setzte sich dicht ans Bett und schloss die Augen. Als sie den Bogen hochnahm, war es vorbei, sie zitterte nicht mehr. Sie spielte das Stück, das Gaby auf der CD gehört hatte. Und Gaby fand es live noch viel schöner. Als es zu Ende war, hielt sie die Hände aneinander, wie um zu applaudieren, auch wenn ihr die Kraft zum Klatschen fehlte. Sie winkte Marceline heran und küsste sie auf die Wange. Marceline bedankte sich. Gaby protestierte: Nix da, jetzt bin ich dran mit danke sagen. Es ist das erste Mal, dass jemand ein Konzert für mich gibt. Verflixt und zugenäht, wenn ich das verpasst hätte.
Wie zwei kleine Mädchen prusteten sie los, lagen sich in den Armen. Und Marceline flüsterte: Dort, wo du jetzt hingehst, begegnest du vielleicht meinen Töchtern … Ja, ich werde sie ganz lieb von dir grüßen, versprochen.
Drei Tage später war Gaby tot.
Guy war an ihrer Seite. Er hielt ihre Hand, und sie hatte keine Angst.
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21
Ludos Brief (ohne die Rechtschreibfehler)
Liebe Tante Gaby,
ich hoffe, es geht dir gut, und dort, wo du bist, ist es wärmer als hier. Heute Nacht hat es gefroren, und Onkel Guy musste deinen Zitronenbaum hereinholen, sonst wäre er draußen garantiert erfroren. Du siehst, was wir für ein Wetter haben. Es ist Winter.
Ich schreibe dir diesen Brief, weil ich dir ein paar Sachen erzählen will, für die ich vorher keine Zeit hatte.
Ich habe die magische Laterne, die sich dreht und die du mir zum Geburtstag geschenkt hast, kaputt gemacht. Aber es war keine Absicht. Sie stand zu nah am Rand vom Nachttisch, und ich bin am Kabel hängen geblieben. Danach wollte Roland mir eine Ohrfeige geben, wie immer, aber Mama hat ihn davon abgehalten. Ich habe wirklich die Schnauze voll von meinem Vater, weißt du. Ich frage mich, wann sich die beiden scheiden lassen. Mama regt sich dauernd über ihn auf, und einmal hat sie sogar Arschloch zu ihm gesagt. Ich weiß, dass ich dir das nicht
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