Und dann kam Paulette (German Edition)
Verdammt, ich kann das nicht.»
«Macht nichts, Roland. Gute Nacht, mein Junge.»
Ferdinand setzt sich wieder an den Küchentisch.
Heute ist Marceline fürs Abendessen zuständig.
Sie kocht nur mit Erzeugnissen aus ihrem Garten, Honig von den Bienen und Eiern von den Hühnern. Sie hat ihm erklärt, dass sie es nicht über sich bringt, Tiere, die sie großzieht, zu töten, dass sie zu sehr an ihnen hängt. Die Lösung ist ganz einfach, sie isst kein Fleisch mehr, und alles ist wunderbar. Er hat nicht mehr nachgefragt, natürlich nicht, aber er hat begriffen, dass es wohl eher so ist, dass sie sich Fleisch nicht leisten kann. Vor drei Tagen nämlich hat er ein Hähnchen gemacht, und das hat sie gegessen. Sie hat sogar seine Kochkünste gelobt.
Ansonsten weiß er jetzt etwas mehr über sie. Sie ist Polin, also nicht Russin oder Ungarin, wie er dachte, ihr Vorname ist Marcelina, aber alle Welt nennt sie Marceline, sie war viele Jahre hier verheiratet, darum spricht sie so gut Französisch, fast akzentfrei, und war als Musikerin in verschiedensten Ländern unterwegs gewesen. Er wüsste gern, warum sie ihrem Beruf nicht mehr nachgeht, aber er traut sich nicht, sie danach zu fragen. Der Grund ist wohl eher unerfreulich. Er will sie jetzt nicht überfordern.
Sie stellt das Essen auf den Tisch. Er verzieht das Gesicht.
«Mögen Sie keine Steckrüben?»
«Doch, aber die Dinger mögen mich nicht.»
«Ich habe etwas Natron untergemischt.»
«Wozu soll das gut sein?»
«Das ist gegen unerwünschte Nebeneffekte, zum Beispiel gegen Blähungen …»
«Glauben Sie wirklich, dass das funktioniert?»
«Sie werden sehen, es macht einen Unterschied.»
«Hoffentlich.»
Sie amüsiert sich.
«Sonst trinken wir den Kaffee nach dem Essen draußen, dort ist es nicht so problematisch. Mit ein bisschen Glück hört es gleich auf zu regnen.»
Ferdinand muss an Henriette denken. Mit ihr hat er nie über solche Sachen gescherzt.
Nach dem Essen gingen sie nach draußen. Nicht wegen der Steckrüben – die Natronbeigabe hat ihre Wirkung getan –, sondern weil Cornélius lauthals nach Aufmerksamkeit verlangt hat. Der Esel ist zwar äußerst selbständig, verlässt, wenn ihm danach ist, seine Box und dreht eine Runde auf dem Gelände, studiert mit Vorliebe den Schließmechanismus von Türen und Gattern, vor allem von jenen, die zum Gemüsegarten führen, aber abends, bevor er sich hinlegt, braucht er etwas Zuwendung. Wie ein Kind.
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26
Isabelle hat eine Frage
Als Isabelle auf den Hof ihres Schwiegervaters einfährt, brennt in der Küche noch Licht. Sie ist überrascht, weil sie von Hundegebell begrüßt wird. Velcro, Ferdinands dämlicher Hund, ist seit mindestens sechs Monaten tot, und er hatte damals verkündet, sich nie wieder einen zuzulegen. Er muss seine Meinung geändert haben, ohne ihnen etwas davon zu sagen. Das regt sie auf. Doch sie beruhigt sich schnell wieder. Immerhin hat sie eine Bitte an ihn, da kann man ihm schon mal großzügig seine kleinen Macken zugestehen, dem armen Kerl. Und außerdem ist ein Hund gegen Einsamkeit nicht schlecht …
Sie steigt aus, der Hund erkennt sie sofort und kommt schwanzwedelnd näher. Isabelle ist verblüfft.
Ferdinand macht auf, ist überrascht, sie zu sehen. Es ist das erste Mal, dass sie seit ihrem Auszug vor fast zweieinhalb Monaten auf den Hof kommt. Noch dazu um diese Uhrzeit und ohne vorher Bescheid zu sagen … Er macht sich Sorgen. Roland hat vor einer Stunde angerufen, aber nichts gesagt, ist den Kindern etwas zugestoßen? Sie schüttelt den Kopf. Nein, alles in Ordnung. Sie wirkt erschöpft, lässt sich auf einen Stuhl plumpsen. Marceline bietet ihr einen Kaffee an. Oder einen Kräutertee? Sie hätte lieber etwas Kräftiges. Einen Wein, wenn Sie haben, das wäre ihr lieber. Marceline holt ihren berühmten Pflaumenwein, und Ferdinand stellt drei Gläser auf den Tisch, sie stoßen an. Dann gibt Marceline vor, sich um ihren alten Kater kümmern zu müssen, damit die beiden ungestört reden können.
Sobald sie das Zimmer verlassen hat, muss Isabelle grinsen. Er ahnt, dass sie gleich eine dumme Bemerkung machen wird, und kommt ihr zuvor. Erklärt ihr, warum Marceline hier ist. Der Sturm, das undichte Dach, die Einsturzgefahr, seine Entscheidung, ihr in dem großen Haus, das seit Rolands und ihrem Auszug ziemlich leer ist, Unterschlupf zu gewähren. Er fügt hinzu, dass sie zunächst natürlich abgelehnt hat, dass er sie aber überzeugen konnte, und
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