Und dann kam Paulette (German Edition)
darum wird sie bleiben, bis ihr Haus repariert ist. Isabelle schweigt für einen Moment. Dann murmelt sie, mehr zu sich selbst, dass sie damit nicht gerechnet hat. Sie kennt ihn schon so lange … Wirklich wahr, sie hatte geglaubt, den Vater ihres Mannes zu kennen, ein etwas steifer, unterkühlter älterer Mann, nicht gerade sympathisch, und jetzt …
«Hast du dafür den langen Weg auf dich genommen, um mir das zu sagen, Isabelle?»
«Nein, ich wollte mit dir reden … Aber Moment mal. Erst würde ich gern wissen, warum du niemandem davon erzählt hast.»
«Um Missverständnisse zu vermeiden. Die Leute denken sich manchmal die abenteuerlichsten Sachen aus. Das weißt du ja auch …»
«Da hast du recht.»
Sie schenkt sich noch ein Glas ein.
Nach zwei Gläsern Pflaumenwein, einem Antidepressivum und zwei Gläsern Sherry beginnt sie, die Gründe ihres Besuchs zu erklären.
Ihrem Onkel Guy geht es überhaupt nicht gut. Er lässt sich hängen. Innerhalb weniger Tage hat er mehrere Kilo abgenommen, es ist schrecklich. Und die schwarzen Ringe unter den Augen. Sein Blick … Die Kinder wollen nicht mehr zu ihm, er macht ihnen Angst. Er sieht aus wie ein Gespenst.
Sie fängt an zu weinen, redet aber weiter.
Wenn er nicht so allein wäre, würde er vielleicht wieder Freude am Leben finden. Würde Sachen unternehmen, sich um die Kinder kümmern und auch ein bisschen um sie. Das könnte sie gut gebrauchen, vor allem im Moment. Vielleicht ginge es ihm besser, wenn er nicht allein wohnen würde …
Ferdinand tätschelt ihr die Hand. Sie lehnt sich an ihn. Es ist das erste Mal, dass sie sich so nahe kommen. Daran ist er nicht gewöhnt, er kramt in seiner Hosentasche nach einem Taschentuch, hält es ihr hin. Sie schnäuzt sich kräftig und wartet auf seine Antwort.
«Dein Onkel ist ein wahrer Dickschädel. Wenn er etwas nicht will, ist es schwer, ihn vom Gegenteil zu überzeugen.»
«Aber wenn du es ihm vorschlägst, sagt er vielleicht ja …»
Erneut wartet sie auf seine Reaktion.
«Ich gehe morgen zu ihm.»
Allmählich machte sich die Wirkung des Alkohol-Medikamenten-Cocktails bemerkbar. Sie konnte auf keinen Fall mehr mit dem Auto fahren. Ferdinand nahm ihr die Schlüssel ab, hob Marcelines Fahrrad in den Kofferraum – bei seinem waren die Reifen platt – und brachte sie nach Hause.
Zum Glück regnete es auf dem Rückweg nicht. Da er schon lange nicht mehr Fahrrad gefahren war, musste er mehrmals anhalten und eine Pause einlegen.
Morgen würde er die Quittung bekommen, das war klar.
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27
Wärmebehandlung
Es kam, wie es kommen musste. Beim Aufwachen waren Ferdinands Gelenke steif, und seine Beine schmerzten, auch sein Steißbein war in Mitleidenschaft gezogen. Er konnte sich weder hinsetzen noch aufstehen. Um halb acht beschloss er, Marceline um Hilfe zu bitten. Sie brachte ihm ein Mittel zum Einreiben, das sie selbst zusammengemischt hatte. Bei ihr half es, er konnte es gern ausprobieren. Er war skeptisch, hatte aber eigentlich nicht die Wahl. Also rieb er sich damit ein und spürte sogleich eine Besserung. Ohne größere Probleme konnte er in die Küche gehen und sie zu ihrem wertvollen Heilmittel beglückwünschen. Er unterließ es tunlichst, von «Omas Hausrezept» zu sprechen, die Arme hatte ja keine Enkelkinder. Er wollte sie nicht verletzen.
Während sie ihren Tee trank und er seinen Kaffee, sprachen sie über den gestrigen Tag. Sie war ganz gerührt, dass Isabelle ohne Ankündigung vorbeigekommen war. Zumal es das erste Mal war, soweit sie verstanden hatte. Isabelle hätte ausgesehen wie ein kleines Mädchen. So hilflos, so zerbrechlich. Ferdinand verzog das Gesicht. Er kannte sie schon ziemlich lange. Auch wenn sie manchmal ganz nett wirkte, war ihr nicht über den Weg zu trauen. Sie konnte auch anders. Mit ihren Kindern beispielsweise war sie ganz streng. Und sie tat alles, damit er die Kleinen nicht öfter sah, angeblich benutzte er zu viele Schimpfwörter. Was gar nicht stimmte, er achtet sehr auf seine Sprache, wirklich. Aber gut, gestern Abend war sie zerbrechlich, das stimmt. Und auch er war sehr gerührt, dass sie vorbeigekommen war, um mit ihm zu reden.
Sie versuchten sich vorzustellen, wie sie ein Zusammenleben zu dritt organisieren könnten. Gingen einmal durch das ganze Haus.
Es sprach wirklich nichts dagegen.
Danach wünschten sie sich einen guten Tag und zogen getrennt los.
Marceline war schon spät dran. Sie musste die Regenpause nutzen und im
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