und das geheimnisvolle Erbe
Post. Ich sah sie wieder vor mir, wie sie mir die Tasche zum Auto nachgeschleppt hatte.
Ganz schön raffiniert, dachte ich, aber dann stockte mir der Atem, als ich sah, was unter dem Zeichenpapier lag.
Dort, mit ungewöhnlicher Sorgfalt zusammengelegt, war eine von Megs Decken. Es war eine, die ich nie zuvor gesehen hatte, in herrlichen, gedeck-ten Schattierungen von Gold, Grün, Lila und tiefem Violett. Das Muster erinnerte an das schottische Hochland in voller Herbstblüte. Ich zog die Decke heraus und hielt sie mir an die Wange, sie war so weich wie die Haut eines Babys und duftete nach der salzigen Luft des Meeres und nach Regen. Wie sie es nur zustande gebracht hatte, dass die Decke dieses Duftgemisch ausströmte, konnte ich mir beim besten Willen nicht vorstellen, jedenfalls erinnerte es mich an den stürmischen Abend auf ihrer Veranda.
Ohne es zu wollen, berührte ich meinen linken Handrücken. Er schien zu kribbeln.
9
Den nächsten Morgen verbrachte ich
damit, in den Büchern von Willis senior zu stöbern und meine wenigen Sachen zusammenzupacken. Ich brauchte mich nicht zu beeilen. Auf dem Programm stand jetzt als einziger Punkt nur noch unser Abschiedsessen. Ich las die Briefe von Dimity und meiner Mutter noch einmal, betrachtete dann nochmals das Foto und steckte schließlich alles in meine Reisetasche, zusammen mit Reginald.
Ich war mir nicht sicher, was ich mit Megs Decke machen sollte. Sie war zu groß, um in mein Handgepäck zu passen, andererseits wollte ich sie nicht zusammen mit meinem großen Reisegepäck einche-cken, mir graute bei dem Gedanken, dass ein übermüdeter Gepäckabfertiger sie aus Versehen nach London, Ontario, schicken könnte. Zurücklassen wollte ich sie aber auch nicht, ich war ratlos. Als wir uns im kleinen Speisezimmer trafen, fragte ich Willis senior um Rat. Seine Lösung war verblüffend einfach. »Lassen Sie die Decke oben«, sagte er.
»Dann lasse ich sie einpacken und mit dem Kurier nach London schicken. Und wenn Sie in Finch angekommen sind, wird sie ebenfalls dort sein.
Ich bedaure, dass mein Sohn nicht mit uns essen kann«, fuhr er fort. »Er hat noch ziemlich viel zu erledigen, ehe er abreist. Bitte, Miss Shepherd, würden Sie hier Platz nehmen, dann kann ich den ersten Gang kommen lassen. Mögen Sie Spargel?«
Es war ein geruhsames Essen, und Willis senior war wie immer ein reizender Gastgeber. Ich brachte das Gespräch auf die Nordwest-Passage, er griff das Thema auf und unterhielt mich mit Geschichten über die Tapferkeit – und den Leichtsinn – der Männer, die ihr Leben riskiert hatten, um sie zu finden. Zwei Stunden später, als wir bei den Him-beertörtchen angelangt waren, kehrte er zu prakti-scheren Dingen zurück.
»Es wird Sie interessieren, Miss Shepherd, dass ich die Verwalter des Hauses von Miss Westwood, Emma und Derek Harris, kontaktiert habe, um ihnen mitzuteilen, dass Sie kommen. Es sind nette Leute. Natürlich kannten sie Miss Westwood und waren ihr eine große Hilfe, als das Haus renoviert wurde. Ein paar kleine Verbesserungen«, erklärte er, »die Miss Westwood vor einiger Zeit vorneh-men ließ, um das Haus ins zwanzigste Jahrhundert zu bringen.«
Im Geiste sah ich ein weißhaariges Ehepaar, das sich liebevoll um das Häuschen kümmerte, und plötzlich war meine Aufmerksamkeit geweckt.
»Wohnen sie in der Nachbarschaft?«, fragte ich.
»Ich glaube, ja«, meinte Willis. »Wenn ich mich richtig erinnere, wohnen sie im nächsten Haus, das an der Straße liegt.«
Damit waren sie Dimitys Nachbarn. Konnte das vielleicht das nette alte Paar sein, das Dimity vor Jahren zu Hilfe gekommen war? Das schien un-wahrscheinlich. Wenn sie vor vierzig Jahren schon alt gewesen waren, dann müssten sie jetzt mit einem Fuß im Grabe stehen. Ich hätte Willis senior gern noch weitere Fragen gestellt, aber in dem Moment platzte Bill ins Zimmer. Er sah abgehetzt aus.
»Programmänderung, Lori«, sagte er. »Wir müssen eher weg als erwartet.« Er sah auf seine Uhr. »Genau genommen, jetzt. Unser Flieger geht zwar erst um sieben, aber Tom Flechter sagt, dass die Sicherheitsvorkehrungen bei Überseeflügen neuerdings sehr viel Zeit beanspruchen können.
Vater, ich nehme Tom mit zum Flughafen und diktiere ihm dort noch ein paar Memos zum Vor-gang Taylor. Davon abgesehen ist mein Schreibtisch leer.«
»Dann macht ihr euch am besten auf den Weg«, sagte Willis senior. »Wir sehen uns an der Vorder-tür, sagen wir in zehn Minuten?«
»Gut«, sagte Bill.
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