Und dennoch
Parteien, zum Parlament und ihren Volksvertretern hat, wenn das Ansehen der Politiker kontinuierlich abnimmt. Das alles sind beunruhigende Befunde über die innere Verfassung unserer Demokratie, aber es sind nicht die einzigen.
Doch über all diese Dinge machen sich die Verantwortlichen
kaum Gedanken. Vor allem scheuen sie die Zusammenschau aller Sachverhalte und Befindlichkeiten; und zwar gleichermaßen in West- wie auch in Ostdeutschland, wo die einschlägigen Befunde noch unerfreulicher sind. Dort ist unsere Demokratie bislang nicht »in der Freude des Volkes« angekommen, wie der andauernde Zuspruch für die Partei Die Linke zeigt.
Zu den kritisch zu betrachtenden Defiziten gehört auch der Mitgliederschwund in den Parteien. Gerade einmal knapp über drei Prozent der Wähler sind Mitglieder in einer parteipolitischen Organisation, und nur ein Bruchteil davon ist wirklich aktiv. Die Parteien besorgt das wenig, sie werden ja überwiegend aus Steuermitteln bezahlt. Zudem ist in der inhaltlichen Akzeptanz der beiden großen Volksparteien CDU und SPD ein bemerkenswerter Schrumpfungsprozess festzustellen: 1976 deckten sie mit ihren Wahlergebnissen noch 91 Prozent der gesamten Wählermeinungen ab, 2009 waren es nur noch etwas über 56 Prozent. Im gleichen Zeitraum sank auch ihre Integrationskraft, also das Aufnehmen der die Bürger mehrheitlich beschäftigenden politischen Probleme, von 90,7 Prozent auf 70,8 Prozent. Tendenz weiter fallend.
Man muss also fragen, ob man die Bundesrepublik noch als eine repräsentative Parteiendemokratie bezeichnen kann oder ob sie sich bereits zu einer nicht mehr ausreichend repräsentativen Parteienoligarchie verändert, in der sich das Volk von seiner Obrigkeit nicht mehr vertreten fühlt. Für mich jedenfalls besteht kein Zweifel, dass unsere Parteiendemokratie auf einer zunehmend brüchigen Basis steht und dringend einer Revision bedarf.
Bereits seit den achtziger Jahren habe ich dies wiederholt versucht, bin aber stets ziemlich sang- und klanglos gescheitert. Und nicht nur mir ist es so ergangen. Auch von der flammenden »Ruck«-Rede des einstigen Bundespräsidenten Roman Herzog wurde wenig aufgegriffen, ebenso wenig von den Goodwill-Appellen seiner Nachfolger. Jegliche Bemühungen, auf Defizite und Fehlentwicklungen aufmerksam zu machen, verpuffen seit Jahren: Nicht nur das Ansehen und die Überzeugungskraft von
Parteien, Politikern und Parlamenten haben kontinuierlich weiter abgenommen, nun verliert auch die Demokratie als System an Glaubwürdigkeit. Auch hier ist von »Freude« im Bewusstsein unserer Bürger über beziehungsweise Grundvertrauen in unsere Verfassung kaum zu sprechen, und zwar gleichermaßen bei Ost-und Westdeutschen.
Deshalb plädiere ich für einen Anlauf zur Rückgewinnung von Ansehen, Vertrauen und Glaubwürdigkeit in demokratische Institutionen und ihre Repräsentanten! Man könnte es eine Art Demokratie-TÜV nennen, der regelmäßig stattfindet. Für die Lage der Wirtschaft wird so etwas von »Wirtschaftsweisen« zweimal im Jahr gemacht, weshalb nicht einmal jährlich auch für die Demokratie als Ganzes? Die Zuständigkeit dafür läge meines Erachtens beim Bundespräsidenten. Unter ihm könnte eine solche turnusmäßig wiederkehrende Bestandsaufnahme stattfinden. Alternativ könnte aber auch eine unabhängige Kommission nach Art der sehr erfolgreichen britischen Royal Commissions mit regelmäßiger Berichtspflicht berufen werden. Man könnte auch eine oder mehrere kundige Stiftungen damit betrauen. In jedem Fall wäre wichtig, bei der Zusammensetzung eines einschlägigen Gremiums keinen Parteienproporz zu praktizieren, sondern auf politischen Sachverstand und Demokratiebewährtheit zu achten. Dabei könnte das Bundesverfassungsgericht Vorbild sein. Wie auch immer: Ohne Veränderungswillen, ohne Entschlossenheit auf allen Seiten werden wir aus der derzeitigen misslichen Situation nicht herauskommen.
Vorschläge für eine aktive Demokratiepolitik
Wenn ich meine Arbeiten aus früheren Jahren durchsehe, finde ich in ihnen eine Fülle an Gedanken und Konzepten, wie ich mir Verbesserungen und Änderungen vorstellen könnte. Daraus ist für mich wiederum ein eigenes Kapitel erlebter Demokratiegeschichte geworden, das ich mittlerweile mit Vorschlägen für eine
Demokratiepolitik überschreibe. Denn für alles und jedes, wichtige und unwichtige Belange haben wir heute einen als »Politik« bezeichneten Sammelbegriff. Nur für den überaus wichtigen Bereich der
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