und der Hongkong-Buddha
Lotus zum Abschied die Hand. »Vielen Dank, ihr beiden«, lächelte sie.
»Dein junger Mann gefällt mir«, sagte Robin, als sie wieder im Auto saßen und durch die von Neonreklamen hell erleuchteten Straßen Hongkongs fuhren. »Allerdings hat er vor irgend etwas furchtbare Angst.«
»Ja«, stimmte Mrs. Pollifax zu und fügte dann hinzu: »Ich auch übrigens... Du etwa nicht?«
Im Hotel angekommen, fuhr dieses Mal nur Robin mit dem Lastenaufzug nach oben. Mrs. Pollifax machte den Umweg durch die Halle, um zu fragen, ob ein Telegramm für sie da sei.
Möglicherweise versuchte Carstairs, mit ihr Kontakt aufzunehmen.
Es lag tatsächlich ein Telegramm für Mrs. Reed-Pollifax am Empfangsschalter. Ungeöffnet nahm sie es mit in ihr Zimmer, und während sie nach oben fuhr, ließ sie in Gedanken den Tag noch einmal Revue passieren. Er hatte damit begonnen, daß sie beim Erwachen Mr. Hitchens auf ihrer Couch vorgefunden hatte. Dann hatten sie die Leiche Inspektor Wis entdeckt. Sie hatte von Robin die wahre Identität des Mannes mit der schwarzen Aura erfahren, und es war ihnen gelungen, um FengImports vielversprechende Beobachtungsposten einzurichten. Anschließend hatte sie ihre Umfrage durchgeführt, und am Abend war sie auch noch mit Sheng Ti und Lotus zusammengetroffen.
Was für ein Tag! Kein Wunder, daß sie sich ausgepumpt und hundemüde fühlte.
Sie trat in ihr Zimmer und legte die Handtasche auf den Schreibtisch neben die Buddhastatue. Nachdenklich betrachtete sie die Figur, und der Ausdruck heiterer Gelassenheit, der auf dem glatten Jadegesicht lag, erfüllte sie mit Neid. Mit einem tiefen Seufzer öffnete sie das Telegramm. Es war nicht von Carstairs - es war von Cyrus! Sie las: DAUERREGEN STOP KAM FRÜHER ZURÜCK STOP KOMME MIT DER ERSTEN MASCHINE STOP DONNERSTAG ABEND HONGKONG STOP DU FEHLST MIR STOP BIS BALD IN LIEBE CYRUS.
Sie las es noch einmal und fühlte, wie die Müdigkeit wie ein abgetragener Mantel von ihr abfiel. Cyrus war auf dem Weg zu ihr! Cyrus!
Sie jauchzte vor Freude hell auf, und einen Augenblick schien es ihr, als lächelte ihr der Buddha gütig zu. Einer spontanen Eingebung folgend verneigte sie sich leicht vor der Statue. Dann löschte sie das Licht.
9 MITTWOCH
Unruhig wälzte sich Mrs. Pollifax im Schlaf hin und her. Ein Angsttraum verfolgte sie, bis sie schließlich erwachte und die Augen aufschlug. Es war noch immer Nacht, und sie schloß die Augen wieder, doch das beklemmende Gefühl, daß etwas nicht in Ordnung sei, schnürte ihr die Kehle zu. Die Augen noch immer geschlossen, versuchte sie zu erfühlen, was sie beunruhigte.
Cyrus war es nicht, der jetzt bereits unterwegs nach Hongkong war; ebensowenig konnte... Sie erstarrte, als sie ganz nah eine raschelnde Bewegung wahrnahm. Was sie beunruhigte, war ganz dicht bei ihr! Es war hier in diesem Zimmer.
Sie war nicht alleine!
Mrs. Pollifax öffnete die Augen und drehte vorsichtig den Kopf, um das Zimmer besser überblicken zu können. Sie hatte die schweren Vorhänge am Abend anscheinend nicht ganz zugezogen, denn ein fahles, gespenstisches Licht sickerte von draußen durch einen Spalt in das Zimmer. In der Mitte des Raums stand ein Mann! Deutlich konnte sie seine Silhouette vor dem hellen Rechteck des Fensters erkennen. Er war zur Bewegungslosigkeit erstarrt; denn offenbar hatte sie sich im Schlaf unruhig herumgeworfen oder sogar gesprochen, und er wartete nun, daß sie wieder fest einschlief.
Mrs. Pollifax war allerdings weit entfernt davon, wieder einzuschlafen. Sie war hellwach und beobachtete die Gestalt durch halbgeschlossene Lider. Das Laken und eine leichte Decke behinderten sie, und als sich der Eindringling wieder bewegte, schob sie behutsam ein Bein unter der Decke hervor. Ihr Fuß berührte den Teppich, und ohne das geringste Geräusch zu verursachen, glitt sie aus dem Bett und richtete sich auf.
Der Eindringling stand nun dicht vor dem Lattengerüst der Gepäckablage, auf der ihr Koffer lag. Plötzlich zuckte ein bleistiftdünner Lichtstrahl auf und schnitt einen hellen Kreis aus der Dunkelheit. Einen Augenblick klebte er an der Wand und fiel dann auf den geöffneten Koffer. Als sich die Gestalt über den Koffer beugte, näherte sich Mrs. Pollifax lautlos. Fast schon eine unfair leichte Übung, beileibe keine echte Herausforderung, dachte sie. Sie hatte die vornüber gebeugte Gestalt des Eindringlings bereits erreicht, als er erstarrte. Möglicherweise hatte ihn ein Rascheln ihres Schlafanzugs oder eine undeutliche Bewegung
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