und der Ruf der Karibikwoelfe
Rocco sie an.
»Sagen wir mal, Ruth hat recht«, sagt Rita. »Und jetzt vorwärts!«
Rita und Ruth nehmen Rocco in die Mitte und stapfen los. In der Ferne hören sie ein leises Rauschen. Es wird lauter, je weiter die Tiere laufen, und steigert sich zu einem ohrenbetäubenden Gebrüll. Roccos Ohren zucken. Der Pflanzenvorhang öffnet sich. Direkt vor Rita, Ruth und Rocco schießt der Urwaldfluss tosend in den Abgrund.
»W…w…was ist das?« Rocco schlottern die Knie. »Was machen wir jetzt?«
»Jetzt haben wir zwei Möglichkeiten.« Rita lächelt aufmunternd. »Entweder wir klettern hier hinunter …« Sie zeigt auf das obere Ende der Strickleiter an der Felsenkante.
Rocco wird blass.
»… das ist etwas mühselig. Oder wir nehmen die Wasserrutsche. Das ist einfacher und macht voll Spaß!«
»Niemals!«, japst Rocco. Mit einem überraschend großen Satz springt er mitten in den Urwald zurück. Schon hat das Grün ihn verschluckt.
»Rocco!«, ruft Rita. »Bleib hier!«
Aber sie bekommt keine Antwort.
»Hinterher! Allein ist es viel zu gefährlich für ihn!«
Ruth spurtet Rocco nach, und auch Rita galoppiert los. Sie rasen eine Weile wild schreiend hin und her.
»Rocco! ROOOCCOOO !!«
Doch sie bekommen keinen Wolfslaut zu hören.
Die kleine Lichtung entdecken Rita und Ruth gerade noch rechtzeitig.
Rocco hockt dort mit glasigem Blick wie angewurzelt vor einer mittelgroßen karibischen Würgeschlange.
Das Reptil starrt ihn hypnotisch an. Es zischelt hungrig und überlegt angestrengt. Soeben kneift die Schlange ein Auge zu, taxiert Rocco sorgfältig und denkt: »Ist dieses seltsame Felltier mit dem leckeren Zöpfchen wirklich zu groß für mich, oder kann ich es vielleicht doch komplett hinunterschlucken?«
Natürlich ist ein Wolf, auch wenn er noch jung ist, für eine Schlange ein dicker Brocken, aber andererseits sind karibische Würgeschlangen ziemlich experimentierfreudig, und obendrein haben sie sehr biegsame Mäuler.
»Ich versuche es mal«, denkt die Schlange optimistisch und klappt die Kiefer auseinander.
Aber sie hat zu lange nachgedacht.
Ein fürchterliches Knurren, Grölen und Belfern unternimmt einen Anschlag auf ihr Trommelfell. Dazwischen tönt, wenn auch kaum vernehmbar, ein befremdliches Blöken. Es klingt, als wenn ein Schaf einen Überfall startet.
Ein Schaf?!, denkt die Schlange. Vollkommen unmöglich! Sie irrt.
»Eieieiei!!«, schreit Rita und stürmt los.
» GRRROOOAAR !!«, brüllt Ruth und greift an.
Die Attacke beschert der Schlange auf der Stelle eine peinliche Schockstarre, und wenig später stellt ihr Körper auch noch einen erstklassigen Seemannsknoten dar. Man könnte ihn in einem Lehrbuch für die Segelschifffahrt abbilden.
Rita und Ruth reiben sich grimmig Hufe und Pfoten.
»Versuch bloß nicht noch mal unseren Freund zu verschlucken!«, sagt Rita.
»Sonst kriegst du’s mit uns zu tun«, grunzt Ruth.
Rita wendet sich an Rocco. »Das wär’s. War keine große Sache. Vergiss es einfach. Komm, wir gehen.«
Doch der junge Wolf ist immer noch in tiefer Hypnose. Mit starren Augen sitzt er da, wie die Statue eines Wachhündchens. Rita und Ruth bleibt nichts übrig, als Rocco in ihre Mitte zu nehmen, jeweils ein Vorderbein zu schultern und ihn mühsam davonzuschleifen.
Die Schlange bleibt zurück. Unglücklich betrachtet sie den Knoten. Hoffentlich kommt dieser Papagei bald vorbei, denkt sie. Er ist zwar schrecklich frech, aber er kennt sich gut mit Knoten aus.
Rocco kommt erst wieder am Strand zu sich. »Wo bin ich?«, murmelt er, blinzelt und sieht nur wenige Meter entfernt den riesigen Hut eines Piratenkapitäns im Sand liegen. Der furchterregendste Totenschädel aller Zeiten ziert ihn, kahl wie ein Geierkopf, grinsend und schielend wie eine betrunkene Hyäne. Der Besitzer dieses Hutes muss ein unvorstellbar furchterregender Riese sein! Rocco verliert gleich noch einmal die Besinnung.
Ruth flößt ihm vorsichtig ein wenig Kokosmilch ein, und Rita tätschelt ihm sanft die Wangen, so lange, bis Rocco die Augen aufschlägt.
»Keine Angst vor dem Hütchen, mein Lieber«, gurrt Ruth. »Das ist bloß unser Piratenunterschlupf. Den Totenschädel vorne drauf haben wir übrigens selbst gemalt.«
»Ganz schön echt«, murmelt Rocco.
Das Raubschaf und das Raubmeerschweinchen lächeln geschmeichelt.
»Wie war ich?«, fragt Rocco.
»Ähm, wie bitte?« Rita und Ruth schauen ihren Gast unsicher an. »Was meinst du?«
»Ich wollte wissen, wie ich mich beim ersten
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