und der sizilianische Dieb
es Ihnen doch erklärt...«
»... Ihre Bedingungen sind einfach lächerlich.«
Vica klang verärgert. »Ich will das Dokument erst prüfen lassen, ehe ich...«
»... Angebote von anderen. Beispielsweise von einem hochgestellten Saudi und von...«
»... zeigen Sie es endlich her, Raphael. Seien Sie vernünftig. Ich halte jeden Preis...«
Farrell flüsterte: »Endlich bekommen wir Raphael zu Gesicht.«
»Aber keinen Aristoteles«, erwiderte Mrs. Pollifax leise.
»Nein.« Farrell winkte ihr zu, ihm auf die Auffahrt zu folgen.
Hinter einer Akazie blieben sie stehen. »Kein Aristoteles, aber ich bin froh, daß ich zumindest weiß, wie Raphael aussieht.
Immerhin war es seine Villa, in der auf mich geschossen wurde.«
»Hat er die Cäsar-Unterschrift?«
»Das behauptet er jedenfalls. Haben Sie ihn deutlich gesehen?«
»Nicht ganz einsachtzig, breite Schultern, starke Sonnenbräune, glattrasiert, schwarzes Haar, hohe Wangenknochen, schmale Lippen, schwer zu sagen, welche Nationalität er hat und - aalglatt!«
»Welch eine Beobachtungsgabe!« sagte Farrell bewundernd.
»Haben Sie je zuvor ein so höfliches und doch unlesbares Gesicht gesehen? Ganz straffe Haut, nicht ein einziges Fältchen - niemand kann mit einem solchen Pokergesicht geboren sein! Ich vermute stark, daß dieser Mister Raphael sich erst vor kurzem liften ließ.« Mit einem Blick auf seine Uhr fügte er hinzu: »Trennen wir uns jetzt. Der Balkon scheint mir erklimmbar zu sein. Ich werde hinaufklettern, sehen, ob eine Tür oder ein Fenster offensteht, und mir einige meiner Sachen holen. Sie schauen, ob sich sonst noch jemand im Parterre befindet. Vergessen Sie nicht, daß Aristoteles jetzt einen Schnurrbart trägt und um gut zehn Kilo zugenommen hat.«
»Gut«, sagte Mrs. Pollifax knapp. »Wir treffen uns am Tor?«
»In genau zwanzig Minuten.«
Sie nahm sich nicht die Zeit, Farrell beim Balkonklettern zu bewundern, denn zwanzig Minuten waren nicht viel, und das Haus war sehr groß. Sie schlich zurück zum Bogengang und begann durch ein beleuchtetes Fenster nach dem anderen zu spähen. Nach fünfzehn Minuten hatte sie zahllose Gobelins, Damastsachen, Goldverziertes und Louisquinze-Möbel gesehen, ebenso einen Mann, der im Eßzimmer Silber putzte, sowie eine beschürzte Frau, die auf einem Stuhl in der Küche eingenickt war - doch keinen Aristoteles und auch nicht seine Frau. Da sie ihre Runde beendet hatte, huschte sie zurück über die Auffahrt und wollte den Rückweg zum Tor einschlagen, mußte jedoch feststellen, daß das viel schwieriger war als beim Herweg, weil sie das beleuchtete Haus hinter sich hatte und vor sich nur vage Umrisse erkennen konnte, die sich kaum aus der Dunkelheit abhoben.
Am Rand des Gartens stolperte sie über eine Steinplatte, dann, als sie einen Baum voraus entdeckte, rannte sie darauf zu und fiel dabei über eine üppige Staude. Danach ging sie etwas vorsichtiger auf den Baum zu, und von dort auf den nächsten, den sie zumindest als Schatten erkennen konnte. Inzwischen hatten ihre Augen sich der Dunkelheit besser angepaßt, und sie eilte weiter. Auf einmal hörte sie einen Ast hinter sich knacken, und als sie sich umdrehte, sah sie einen Schatten hastig hinter dem Baum verschwinden, von dem sie gekommen war. Jemand folgte ihr. Farrell? fragte sie sich flüchtig. Aber Farrell würde nicht Verstecken mit ihr spielen. Nicht Farrell, also. Sie mußte gegen einen Anflug von atavistischer Panik ankämpfen. In einiger Entfernung vor sich sah sie vage eine kunstvoll geschnittene Hecke. Sie zwang sich zur Ruhe und überquerte die breite Rasenfläche, um dort Zuflucht zu finden, drehte sich rasch noch einmal um und sah, wie ihr Verfolger gerade hinter dem Baum hervorkam und geduckt in ihre Richtung schlich. Nun gab es keinen Zweifel mehr, daß sie verfolgt wurde. Sie atmete einige Male tief durch und wartete.
Sie mußte lange warten, hörte ihn nicht mehr, doch plötzlich sah sie seine Umrisse unmittelbar vor sich. Sie hatte gerade soviel Zeit zu erkennen, daß ihr Verfolger ein bärtiger Mann war, ehe sie ausholte und ihm einen harten Handkantenschlag auf die Halsseite verpaßte. Lautlos sackte er auf den Boden.
Wenige Augenblicke später erreichte Farrell die Hecke. »Was zum Teufel...«, entfuhr es ihm.
»Er kam mir nachgeschlichen«, unterbrach sie ihn verärgert.
»Es ist zwar zu dunkel, um etwas Näheres zu erkennen, aber ich glaube, er hat einen Bart.«
Farrell kniete sich neben den Mann. Er zog ein
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