und der tote Richter
eher sinnlos erschien, würde es sie wenigstens ablenken.
Das Judd’s Cottage, in dem die Cartwrights wohnten, war ziemlich heruntergekommen. Die Gartenpforte hing schief in ihren Angeln, und im unkrautüberwucherten Vorgarten rostete ein altes Auto vor sich hin. Agatha blickte sich um und fragte sich, wie der Wagen in den Garten gelangt sein mochte. Es war keine Zufahrt zu entdecken. Hatten sie das Auto mit einem Kran über den Zaun gehievt?
Die Glasscheibe in der Haustür hatte einen Sprung, der mit braunem Klebeband repariert worden war. Agatha klingelte. Nichts passierte. Sie klopfte an die Tür. Nun erschienen Mrs. Cartwrights verschwommene Umrisse hinter dem Glas.
»Ah, Sie sind es«, sagte sie, nachdem sie geöffnet hatte. »Kommen Sie rein.«
Agatha folgte ihr in ein säuerlich muffelndes, unordentliches Wohnzimmer. Die Möbel waren fleckig und stellenweise blankgewetzt. Im Kamin stand ein Elektrostrahler mitzwei Heizstangen, auf dem sich das Kunststoffimitat eines Kohlehaufens befand. Das Fensterbrett zierte eine angeschlagene Vase mit Plastiknarzissen, und in einer Ecke stand eine Hausbar mit rosa Glastüren und rosa Neoninnenbeleuchtung.
»Möchten Sie etwas trinken?«, fragte Mrs. Cartwright. Ihr drahtiges Haar war auf rosa Schaumstoffwickler aufgedreht, und sie trug ein rosa Wickelkleid, das weit aufklaffte, als sie sich bewegte, sodass ihr schmutziger Unterrock hervorlugte.
»Ja, danke«, sagte Agatha und wünschte, sie wäre nicht hergekommen.
Mrs. Cartwright schenkte ihnen zwei große Gläser Gin ein und färbte ihn mit ein paar Spritzern Angostura pink. Nervös sah Agatha ihr Glas an, an dessen Rand Lippenstift haftete.
Mrs. Cartwright setzte sich hin und schlug die Beine übereinander. Ihre nackten Füße steckten in schmutzigen rosa Pantoletten. Zu viel Rosa, ging es Agatha durch den Kopf. Sie sieht aus wie eine Schmuddelausgabe von Barbara Cartland.
»Kannten Sie Mr. Cummings-Browne gut?«, fragte Agatha.
Mrs. Cartwright steckte sich eine Zigarette an und betrachtete Agatha durch die Qualmwolke. »Ein bisschen«, sagte sie.
»Mochten Sie ihn?«
»Geht so. Ich kann gerade nicht klar denken.«
»Weil er tot ist?«
»Nee, wegen dem Bingo drüben in Evesham. John, also was mein Mann ist, der hat mir das Geld gestrichen. Er will nicht, dass ich hingehe. Männer sind Schweine. Ich habe vierKinder großgezogen, und jetzt sind sie aus dem Haus, und ich will ein bisschen Spaß haben, und da motzt er rum. Wissen Sie was? Geben Sie mir Geld, dass ich zum Bingo kann, und ich erinnere mich wieder.«
Agatha holte ihr Portemonnaie aus der Handtasche. »Reichen zwanzig Pfund?«
»Und ob!«
Agatha gab ihr das Geld. Im selben Moment hörte man, wie die Haustür geöffnet wurde. Mrs. Cartwright stopfte den Geldschein in ihren Ausschnitt, schnappte sich Agathas Glas und ihr eigenes und lief in die Küche.
»Ella?«, rief eine Männerstimme.
Die Zimmertür ging auf, und ein Gorilla von einem Mann kam herein, gerade als seine Frau aus der Küche zurück war. »Wer ist die?«, fragte er und wies mit dem Daumen auf Agatha. »Hab ich dir nicht gesagt, du sollst die Jehovas nicht reinlassen?«
»Das ist Mrs. Raisin unten aus der Lilac Lane. Sie ist zu Besuch.«
»Was wollen Sie?«, knurrte er.
Agatha stand auf. Mrs. Cartwright warf ihr einen warnenden Blick zu. »Ich sammle für wohltätige Zwecke«, sagte Agatha.
»Da können Sie gleich wieder abzischen. Wir haben keinen Penny zu vergeben. Dafür hat sie gesorgt.«
»John, setz dich hin und halt die Klappe. Ich bring Mrs. Raisin zur Tür.«
Agatha duckte sich ängstlich an John Cartwright vorbei und eilte hinter Mrs. Cartwright her, die ihr die Haustür öffnete. »Kommen Sie morgen«, flüsterte sie. »Um drei.«
Hatte die Frau irgendein dunkles Geheimnis oder es einfach nur geschafft, sie um zwanzig Pfund zu erleichtern?, fragte sich Agatha, als sie die Straße hinunterging.
Zu Hause in ihrem Cottage putzte Mrs. Simpson gerade die Schlafzimmer im Obergeschoss. Agatha stellte die Waschmaschine an und trug dann die nasse Wäsche in den Garten, wo eine Wäschespinne stand. Endlich fühlte sie sich entspannter und irgendwie sogar häuslich. Doch kaum ging sie auf die andere Seite der Wäschespinne, entdeckte sie Mrs. Barr. Sie lehnte auf ihrem Gartenzaun und funkelte Agatha voller Verachtung und Wut an. Agatha hängte die restlichen Wäschestücke auf und ging ins Haus.
»Die Post ist gekommen!«, rief Mrs. Simpson von oben. »Ich hab sie auf
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