und der verschwiegene Verdacht
sah sie freundlich an. »Der Zeichentisch ist nur da, falls die Kreativität Sie mitten in der Nacht überfällt«, erklärte sie. »Für Ihre übrige Arbeit steht Ihnen die Bibliothek zur Verfügung, aber auch jedes andere Zimmer, das Ihnen gefällt.« Sie machte eine kurze Pause, dann sagte sie vorsichtig: »Ich hoffe, Mattie hat Sie nicht mit unserem berühmten Gast gelangweilt. Habe ich da etwas über Künstlertempera-ment gehört?«
»Nur ein paar Worte«, räumte Emma ein.
»Ja, Susannah hat schon ihre Launen, aber als künstlerisch würde ich die nicht bezeichnen. Au-
ßerdem gibt es da noch Syd.«
»Syd?«, fragte Emma.
»Syd Bishop, Susannahs Manager. Sie werden ihn beim Abendessen kennen lernen. Er ist auch Amerikaner, aus Brooklyn, und er ist … einmalig. Zumindest möchte man es hoffen.« Die Frau streckte die Hand aus und trat auf Emma zu. »Ach ja, und ich bin Kate Cole, Graysons Haushälterin. Es tut mir Leid, dass ich Sie nicht eher begrüßen konnte, aber Mattie und ich waren hier oben, um das Zimmer herzurichten. Sind Sie mit allem zufrieden?«
»Es ist wunderschön, aber …« Emma blickte auf den Zeichentisch, dann gab sie sich einen Ruck. Sie musste sich endlich aussprechen. »Aber ich bin mir gar nicht sicher, dass ich diejenige bin, die darin wohnen soll.« Sie deutete auf die Sessel. »Haben Sie einen Moment Zeit, Kate? Ich fürchte nämlich, dass es sich um ein Missverständnis handelt.«
Kate seufzte. »Das ist meist der Fall, wenn Grayson einen seiner genialen Einfälle hat.« Während die beiden Frauen in den tiefen Sesseln Platz nahmen, sagte Kate mitfühlend: »Ich vermute, Grayson hat Sie sofort überrumpelt, ohne solch unwichtige Dinge wie Gehalt und Vertrag zu erwähnen, und …«
»Das ist es nicht«, sagte Emma schnell. »Ich würde sogar umsonst im Kapellgarten arbeiten, wenn ich das Gefühl hätte, dass ich es könnte. Aber um ehrlich zu sein, ich glaube nicht, dass ich es kann. Ich bin nur eine Hobbygärtnerin.«
Kate runzelte die Stirn. »Aber die Pyms haben Sie doch geschickt, nicht wahr?«
Geduldig erklärte Emma, dass sie die Pyms kaum kannte. »Ich habe sie erst vorgestern kennen gelernt. Wir verbrachten einen Nachmittag in Bransley Manor zusammen und unterhielten uns über Gärten.«
»Aha«, sagte Kate und entspannte sich etwas.
»Das erklärt alles. Sie wussten seit Monaten, dass Grayson jemanden sucht, der Großmutters Garten wieder in Ordnung bringt. Was Ihre Fähigkeiten anbelangt …« Sie legte den Kopf auf die Seite und fragte: »Haben Sie lange mit Ruth und Louise gesprochen? Und haben die beiden Ihnen Fragen gestellt?«
Nachdenklich zog Emma die Stirn kraus. Bereits an dem Nachmittag war ihr das Gespräch mit den Pyms merkwürdig einseitig vorgekommen. Jetzt, wo sie es sich ins Gedächtnis zurückrief, merkte sie, dass es einer ziemlich gründlichen Prüfung gleich-gekommen war. Sie fasste nach ihrer Brille und fragte zweifelnd: »Wollen Sie damit sagen, dass meine Unterhaltung mit den Pyms ein … ein Vor-stellungsgespräch war?«
Kate lachte. »Ich weiß, wie komisch es klingt, aber es sieht den beiden ganz ähnlich: Sie suchen sich einen abgelegenen Ort wie Bransley aus – ein Ort, wo nur eine bestimmte Sorte von Gartenlieb-habern hinkommt – und warten dort auf einen Kandidaten, den sie dann auf Herz und Nieren prüfen.«
Emma sah sie immer noch ungläubig an, also versuchte Kate es auf eine andere Art. »Was tun Sie beruflich?«, fragte sie.
»Ich bin Projektmanagerin bei der CompuTech Corporation in Boston«, erwiderte Emma. »Ich arbeite mit Computern.«
»Okay, wer ist der allerbeste Computer-Wissenschaftler in Boston?«
»Professor Layton beim Massachusetts Institute of Technology«, antwortete Emma ohne zu zögern.
»Jedenfalls hat er mir alles beigebracht, was ich heute kann.«
Kate sah sie fragend an. »Und wenn Professor Layton vom MIT jemanden für einen Posten in Ihrer Firma empfehlen würde, würden Sie diese Person doch einstellen, oder nicht?« Sie lächelte beruhigend und fuhr fort. »Ruth und Louise mögen keine Fachleute wie Ihr Professor Layton sein, aber sie haben sich schon mit Gartenbau befasst, ehe Sie oder ich geboren waren. Ich glaube, wir können uns auf ihr Urteil verlassen.«
Emma holte tief Luft und atmete aus, ehe sie zum Sprechen ansetzen wollte. Doch sie besann sich eines anderen. Sie war es gewohnt, geradlinig zu denken. Wenn man einen Gärtner brauchte, sah man im Telefonbuch nach. Man setzte sich nicht
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