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Und der Wind bringt den Regen

Und der Wind bringt den Regen

Titel: Und der Wind bringt den Regen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Malpass
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Wohnzimmer, wo ein Feuer im Kamin brannte und der Tisch zum Abendessen gedeckt war. Und von dort in die Küche mit den Töpfen und Krügen, die aufgereiht über dem weißen Spülbecken standen, und nach oben in das kleine Schlafzimmer, das ebenfalls schon eingerichtet war, und zu Benbow, der nun ein Zimmer für sich hatte und bereits fest schlief, und dann in ihr Schlafzimmer mit dem Mahagoni-Kleiderschrank und dem Frisiertisch und der schönen rosa Überdecke auf dem Bett - ein Zimmer, ganz für sie, wo sie zum erstenmal in ihrem Eheleben auch wirklich allein sein durften.
    «Ist das nicht wunderschön, Taff?» rief Nell, überwältigt von so viel Glück.
    «Ja, wirklich», stimmte er zu. «Das Bett möchte ich am liebsten gleich ausprobieren.»
    Sie gingen nach unten, setzten sich an den Tisch vor dem Kamin und aßen Rührei auf Toast, danach einen Rosinenkuchen, und dazu tranken sie Tee. Später stiegen sie die Treppe hinauf in ihr Schlafzimmer, machten die Tür zu, zogen die Gardinen vor und waren allein - allein in ihrer Welt aus rosa Satin und schimmerndem Mahagoni, allein bei Kerzenlicht, sicher und geborgen -    eine Burg aus Liebe und Nestwärme.
     
    «Schön bist du, mein Mädchen — wunderschön.»
    «Woher willst du denn das wissen, du Schwindler? Du hast doch die Kerze ausgemacht!»
    «Ich hab doch nicht bloß Augen, Schatz. Schönheit ist nicht nur das, was man sieht...»
    Sie lachte glücklich, doch plötzlich blieb ihr das Lachen in der Kehle stecken. So etwas hatte Tom nie gesagt. Lieber armer Tom - wo er jetzt lag, gab es keine rosa Satindecke und keine Liebesworte. Mein Liebster, dich hat ein anderer an sein Herz gedrückt - der Tod. Sie schauerte zusammen und schmiegte sich noch enger in die Arme ihres Mannes.
     
    An einem stillen trüben Sonntagnachmittag im Mai wurde das Kriegerdenkmal enthüllt. Es war ein schlichtes Monument - ein offenes Buch, aus Stein gemeißelt und sechs Fuß hoch. Unsere ruhmreichen Toten stand über den aufgeschlagenen beiden Seiten, und darunter die Namen der Gefallenen nach der Rangordnung, als erster: Oberstleutnant X und als letzter: Soldat Young, W. Oben an dem Buch lag ein steinernes Gebinde aus Bajonetten, Handgranaten und anderen tödlichen Waffen, zusammengehalten von einem Band mit der Inschrift All unsere Liebe gehört euch.
    Aber der Denkmalsausschuß hatte noch an mehr gedacht. Für die Honoratioren der Stadt und für die Familien der Gefallenen hatte man eine Tribüne errichtet und sie mit schwarzem Krepp umhängt. Die Kapelle der Heilsarmee war da und der Pfarrer von Ingerby, die Geistlichen der Freien Hochkirche und die Chöre der Anglikanischen Kirche und sogar der Hornist der Kaserne von Derby. Auch der katholische Geistliche war kurz erschienen (und jeder fand, er sähe deplaciert aus mit seinem Spitzenumhang um die Schultern. Er behielt die ganze Zeit den Hut auf. Wahrscheinlich fror ihn, dachte Nell mitleidig; er hatte ja auch keine Frau, die ihm die Brust mit Gänseschmalz einrieb und die Füße in ein Senfbad setzte, wenn er sich erkältet hatte.) Ja, der Denkmalsausschuß konnte sich wirklich gratulieren - das Denkmal in Ingerby wurde gut vier Wochen früher enthüllt als die in den anderen Midland-Städten...
    Ein Mitglied des Ausschusses hatte noch einen besonderen Grund, stolz zu sein. Will Dorman hatte es, angestiftet durch einen Vorschlag seiner Frau, durchgesetzt, daß den Witwen der Gefallenen, die bereits wieder geheiratet hatten, kein Sitz auf der kreppverhangenen Tribüne zustehen sollte. In Hochstimmung war er von der Ausschußsitzung nach Hause gekommen. «Du hast ein doppeltes Anrecht auf einen Tribünenplatz, Lizzie: als Ehefrau eines Ausschußmitgliedes und als Mutter eines Gefallenen. Aber sie hat kein Anrecht — sie muß da unten bleiben, bei Hinz und Kunz.» Und als er Nell etwas später traf, sagte er:
    «Du wirst leider nicht bei uns sitzen können, Nell. Im Ausschuß sind sie nämlich ziemlich streng: Witwen, die wieder verheiratet sind, haben kein Anrecht auf einen Tribünenplatz. Das hat natürlich keine persönlichen Gründe, weißt du, ich glaube, es ist nur eine Platzfrage.»
    «Ich möchte auch gar nicht da oben sitzen», sagte Nell etwas verwirrt. «Ich will bei Taffy sitzen.»
    «Ach so», sagte der alte Mann etwas enttäuscht. Er versuchte es noch einmal. «Als Toms Witwe hättest du natürlich einen Ehrenplatz gehabt. Aber da läßt der Ausschuß nicht mit sich reden.»
    Sie legte ihm tröstend die Hand auf

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