Und der Wind bringt den Regen
mit dem Heiraten.»
Sie blieb stehen und starrte ihn an. «Das ist doch lächerlich», sagte sie und nahm den Grashalm aus dem Mund.
«Ja, ich weiß. Aber es ist Vorschrift bei der Bank.»
Langsam ging sie weiter. «Und wenn wir trotzdem einfach heiraten - was passiert dann?»
Das wußte er nicht. Vermutlich würde die Welt untergehen. «Es steht so in meinem Vertrag, Liebling», sagte er unglücklich.
Sie ging weiter. Plötzlich blieb sie stehen und warf ihm die Arme um den Hals. Sie legte den Kopf an seine Schulter, das Gesicht abgewandt, als schäme sie sich, und sagte: «Benbow, ich glaube, das Leben als Frau eines englischen Bankangestellten ist nicht das richtige für mich. Aber ich will es trotzdem, weil ich dich liebe. Nur – vier Jahre! O Benbow, ich kann nicht vier Jahre warten.»
«Die gehen auch herum», sagte er ohne Überzeugung.
Mit plötzlichem Ärger sagte sie: «Kannst du denn vier Jahre warten?» Er fühlte, wie ihre Tränen auf seine Hand fielen.
«Aber wir können uns doch oft sehen, wir können tanzen gehen oder ins Kino, oder Ausflüge machen wie neulich nach Dovedale. Manche Leute sagen, eine lange Verlobungszeit sei schön», sagte er.
Sie löste die Arme von seinem Nacken und ging mit abgewandtem Gesicht weiter. «So einfach ist das nicht», sagte sie leise. «Es gibt da noch etwas anderes.»
«Was denn?»
Sie schwieg so lange, daß er glaubte, sie habe seine Frage nicht gehört. Schließlich sagte sie leise: «Weißt du, ich liebe dich, aber ich liebe auch meine Heimat — ich liebe sie sehr. Und wenn du mich nicht festhältst, ganz fest —» ihre Stimme war nur noch ein Flüstern — «dann weiß ich nicht, was geschieht.»
Wieder fühlte Benbow den ihm vertrauten Druck im Magen. Wie hatte sie das gemeint? Wenn er sie nicht festhielt, würde sie in ihre Heimat zurückkehren? Ja, das hatte sie gemeint. Und der Gedanke, ein Leben ohne sie an seiner Seite führen zu müssen, war so unerträglich, daß er ohne Besinnen sagte: «Ich werde kündigen.» Gott weiß, was Opa dazu sagen würde, nachdem er sich so viel Mühe gegeben hatte. Und auch Mam wäre bestimmt nicht einverstanden. Aber er konnte Ulrike nicht aufgeben, das war unmöglich. «Ich werde kündigen», sagte er noch einmal.
«Und was wird dir das nützen?» fragte sie gereizt. «Glaubst du, du kriegst was Besseres?»
Nein, das glaubte er nicht. Er würde erst einmal Arbeitslosenunterstützung beziehen - vorausgesetzt, daß er überhaupt dazu berechtigt war, was noch keineswegs feststand. «Ich werde noch einmal mit Crabtree reden», sagte er verzagt, denn er wußte, daß er genausogut zu einem Stein reden konnte. Crabtree hatte alles auf seiner Seite: die Bankenvereinigung, die Bankpräsidenten, die Rechtschaffenheit, die Weisheit der Väter, sämtliche Bankkunden, die ihm ihr Geld anvertraut hatten, und schließlich die unleugbare Tatsache, daß für einen Verheirateten ein Penny nur noch die Hälfte wert war. Und was hatte Benbow dagegenzuhalten? Seine junge Liebe: ein Gefühl, dem jeder über vierzig gründlich mißtraute, und ein Herz, das zu brechen drohte.
Einen Tag später marschierten Hitlers Truppen in Österreich ein. Menschen jubelten, Fahnen wehten, und es fiel kaum ein Schuß. War das nicht, wie es überall hieß, der schlagende Beweis für die Friedenshebe des «Führers»?
21
Benbow war enttäuscht, aber auch etwas erleichtert, als er bei der Rückkehr zur Arbeit feststellte, daß Mr. Crabtree für zwei Wochen auf die Insel Wight in Urlaub gefahren war. Er hatte sich vor dem Gespräch gefürchtet. Rechnen hatte er bei Tante Edith gelernt, aber Mut hatte sie ihm nicht beigebracht...
Am Abend ging er mit Ulrike ins Kino. Sie sahen So wird es werden, einen Film nach einem Buch von H. G. Wells. Es war kein guter Abend. Ulrike war liebevoll, aber sehr still und sichtbar unglücklich. Der Film machte Benbow angst. Krieg - ein Krieg der Zukunft: Flugzeuge warfen Bomben auf hilflose Städte, die Einwohner flohen in panischer Furcht vor einstürzenden Häusern und dem Feuersturm, während ringsum neue Bomben explodierten. Es war ein Krieg, an den man nicht einmal denken mochte, schlimmer als alle anderen Kriege, ein Krieg, den nicht nur die Soldaten, sondern auch die Zivilbevölkerung auszufechten hatte, denn die Bomben fielen wahllos auf Wohnhäuser, Marktplätze, Straßen... So etwas durfte nicht Wirklichkeit werden. Niemals.
Benbow war froh, als sie aus dem grauenvollen Getöse des Films ins
Weitere Kostenlose Bücher