Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Und der Wind bringt den Regen

Und der Wind bringt den Regen

Titel: Und der Wind bringt den Regen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Malpass
Vom Netzwerk:
kurzen Glückes genossen und keine Zeit mit Zank und Streit verschwendet. Sonst hätte sie sich heute noch Vorwürfe machen müssen, und das wäre schwer zu ertragen gewesen.
    Der Tag kam ihr endlos vor. Sie dachte an die Kinder, die jetzt da draußen in Sonne und Wind umherliefen und das ganze Leben noch vor sich hatten. Und sie dachte an Taffy und Vanwy, die nun wieder zusammen waren. Und an Frank Hardy—was er wohl jetzt machte? Sicher war er längst verheiratet mit einer eleganten gebildeten Frau und wohnte in einem hübschen Haus in einer guten Gegend, mit einem Rasen davor und ein paar Bäumen. Frank verstand es, sich sein Leben einzurichten. Er wußte, wo rauf es ankam.
    Nell neigte nicht zu Selbstmitleid; doch an diesem hellen Sonntag fand sie, daß jeder, den sie kannte, irgend etwas hatte - einen Menschen oder etwas anderes. Mabel hatte ihren Siegfried, Alice ihren Ehrgeiz und ihre Karriere, Nell wußte nicht einmal, was Ehrgeiz war...
    An der Haustür klopfte es, laut und drängend. Benbow, dachte sie. Ein Eisenbahnunfall. Die Polizei. Mit klopfendem Herzen lief sie zur Tür und riß sie auf.
    Draußen stand Vanwy, zitternd, angsterfüllt. «Kannst du kommen, Nell? Er ist krank —ich habe jemanden zum Arzt geschickt, aber —»
    Nell schlug die Tür hinter sich zu. Sie liefen die Straße hinunter. «Was fehlt ihm?» keuchte sie.
    «Schlaganfall, glaube ich. Er gibt so schreckliche Laute von sich - und sein Gesicht ist ganz verzerrt...»
    «Hast du ihn allein gelassen?»
    «Nein, Mrs. Porter ist bei ihm.»
    Sie stürzten die Treppe hinauf, in die Wohnung. Da lag Taffy Evans, aber er gab jetzt keine Laute mehr von sich. Er war schrecklich still geworden. Mrs. Porter erhob sich. «Es ist vorbei», sagte sie ruhig und ging hinaus.
    Vanwy stöhnte einmal leise auf, dann war es still. Sie und Nell starrten in das kleine graue Gesicht. Nell fiel der Abend ein, an dem sie ihm von dem Haus in der Albion Street erzählt hatte. Was hatte er doch gesagt? «Hol deinen Mantel. Wir müssen doch deinen Palast mal besichtigen, was?» Das war der richtige Taffy gewesen - gutherzig und lustig. Und nicht der Ertappte, der sie an jenem schrecklichen Abend vom Bett her töricht und hilflos angestarrt hatte. Und auch nicht das leere traurige Nichts, das jetzt vor ihr lag.
    Vanwy, die eben noch so hilflos gewesen war, kam wieder zu sich. «Er muß bestattet werden», sagte sie in sachlichem Ton. «Und der Tod muß gemeldet werden. Darum kümmerst du dich wohl, nicht wahr, Nell?»
    Nell sah den Toten immer noch an. Jetzt wandte sie sich langsam ihrer Cousine zu und betrachtete sie ungläubig. «Ich?» fragte sie erstaunt.
    «Ja. Er war ja dein Mann», gab Vanwy zurück.
    «Wieso - nein. Ich nicht.»
    «Du wirst es müssen, Nell. Auch die Beerdigung. Ich habe damit nichts zu tun - ich war bloß sein Verhältnis.» Ein katzenartiges, sehr weibliches Lächeln erschien einen Augenblick in ihrem Gesicht.
    Nell schwieg. «Gut», sagte sie dann. «Geh!»
    Ohne ein weiteres Wort ging Vanwy hinaus und schloß die Tür hinter sich.
    Nell tat, was getan werden mußte - und sie tat es mit Liebe. Als sie fertig war, sah sie herab auf den Toten und flüsterte: «Sie hat ja recht - du bist mein Mann, Taff. Ich sorge dafür, daß alles gemacht wird, wie es sich gehört, Lieber.» Sie beugte sich herab und küßte die faltige Stirn. Dann stieg sie langsam die steile Treppe hinunter.
     
    Als es Abend wurde, kam Benbow nach Hause. Er sah irgendwie anders aus als sonst, fand Nell; in den Augen war ein seltsamer Glanz, und er wirkte, als wisse er nicht recht, wohin mit sich. Er stellte sich vor das Bücherbord, setzte sich, sprang wieder auf, verschränkte die Hände und löste sie wieder und warf ihr schnelle Blicke zu. Er hatte doch nicht getrunken? Schließlich sagte er: «Ulrike hat gesagt, sie will mich heiraten.» Seine Lippen zitterten, und nun fing er wirklich an zu weinen.
    Sie war gerührt, ihren gelassenen Sohn so bewegt zu sehen. Sie trat zu ihm und legte ihm die Arme um den Hals. «Benbow! Ich freue mich so - für euch beide.» Sie freute sich wirklich für Ben und Ulrike, aber ihr selber war nicht nach Freude zumute. «Willst du ein pochiertes Ei und ein Glas Milch?» fragte sie. Sie hätte ihm gern von Taffy erzählt, aber heute abend wollte sie ihm die Freude nicht verderben.
    «Ach ja, Mam, bitte.» Manche Leute feierten mit Champagner -für Benbow war ein pochiertes Ei auf Toast stets der höchste Genuß gewesen.
    Sie gab ihm die

Weitere Kostenlose Bücher