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Und der Wind bringt den Regen

Und der Wind bringt den Regen

Titel: Und der Wind bringt den Regen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Malpass
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Moor hinauskamen, wo man nur in der Ferne die Straßenbahn rasseln hörte. Das Land lag still unter der hellen Mondsichel. Er blickte zum Himmel empor. Der Mond zog einen zarten Schleier hinter sich her, die Sterne hingen dämmerig-müde am Firmament. War es wirklich denkbar, daß Flugzeuge diese dunkle Decke, die Ewigkeiten standgehalten hatte, auseinanderrissen?
    «Das war ziemlich albern, nicht?» sagte Ulrike.
    «Was war albern?» Benbow mußte sich erst von den Sternen losreißen.
    «Der Film. Als ob so etwas möglich wäre!»
    Einen Augenblick lang war er beruhigt. Aber dann sagte er zweifelnd: «Meinst du nicht, daß es möglich wäre?»
    «Nein, natürlich nicht. Wer sollte denn so einen Krieg anfangen? England?» Sie lachte. «England ist viel zu träge. Und Frankreich ist zu dekadent. Und Amerika?» Wieder lachte sie. «Viel zu beschäftigt mit Geldverdienen.»
    «Und — Hitler?» fragte er zögernd.
    Sie blieb so plötzlich stehen, daß er ihre Hand loslassen mußte. «Hitler?» Sie sah ihn verwundert an. «Aber Benbow, Hitler würde doch nie einen Krieg anfangen.» Sie sah ihn immer noch erstaunt an. «Das steht doch fest - dafür hat er seine Friedensliebe zu oft unter Beweis gestellt.»
    Wie schön, dachte Benbow erleichtert. Er las die Zeitungen nicht sehr aufmerksam, die Bankexamen nahmen ihn zu sehr in Anspruch. Und wenn Ulrike das sagte, dann mußte es stimmen. Er war beruhigt. An der Pforte umarmte sie ihn so liebevoll und sehnsüchtig, daß er wie auf Wolken zurückging. Sie liebte ihn, sie würde auf ihn warten, und es würde keinen Krieg geben, weil niemand einen Krieg anfangen würde...
     
    Als er eine Woche später aus der Bank nach Hause kam, fand er zu seiner Überraschung Großtante Mabel in der Küche vor. Sie war wie zu einem feierlichen Anlaß gekleidet. Statt der Gummistiefel trug sie schwarze Schuhe, von denen der rechte einen Drall nach links und der linke einen Drall nach rechts hatte. Ein schwarzer Mantel versuchte, ihren stämmigen Leib in Form zu halten. Ein abgewetztes, nach Mottenpulver riechendes Pelztier, das sich in den Schwanz biß, lag um ihren Hals.
    «Tag, Junge», sagte Mabel mit brüchiger Stimme. «Deine Mutter ist oben bei Oma.»
    Benbow sah die zusammengesunkene kleine Gestalt bestürzt an. «Ist was passiert, Tante?» fragte er besorgt.
    Sie sah ihn mit Tränen in den Augen an und versuchte zu sprechen, aber ihr versagte die Stimme.
    «Komm, ich mach dir eine Tasse Tee», sagte er tröstend. Er konnte andere nicht leiden sehen. Was hatte sie bloß für einen Kummer? «Ist es das Schweinefieber, Tante Mabel?»
    «Ich wollte, das wär’s.» Sie schluckte. «Bei Gott, ich wollte, es wäre bloß das Schweinefieber.»
    Schweinefieber war für Großtante Mabel stets etwa das gleiche gewesen wie die Tötung des Erstgeborenen für die alten Ägypter. Deshalb war Benbow jetzt ernstlich beunruhigt. Er nahm den Kessel vom Haken, wärmte die Teekanne an, setzte den Kessel aufs Feuer, blickte Tante Mabel an und wartete.
    Sie hatte sich wieder in der Hand. «Schlechte Nachrichten, Junge. Schlecht für dich und schlecht für mich - für uns beide schlecht.»
    Nell kam in die Küche und sah ihren Sohn besorgt an. «Hat sie es dir schon erzählt?» fragte sie betrübt.
    Er schüttelte den Kopf. «Es ist doch nichts mit Ulrike? Ist sie krank?»
    «Es geht ihr gut.» Großtante Mabel, meist sehr direkt und geradeaus, war - wie alle Leute ihrer Generation — der Ansicht, schlechte Nachrichten müsse man tropfenweise Vorbringen.
    «Also, was ist denn nun?» Seine Stimme war hart und befehlend.
    «Sie ist weg, Junge. Abgehauen. Einfach weg. Zurück nach Deutschland. Und —» wieder versagte ihr die Stimme — «ihr Vater ist mit ihr gegangen.»
    Benbow war gerade dabei, den Tee einzuschenken. Seine Hand zitterte nicht, aber aus seinem Gesicht wich alle Farbe. «Das ist doch nicht möglich», sagte er hilflos. Dann fiel ihm etwas ein. «Auf Ferien, meinst du?»
    Mabel warf ihm einen mitleidigen Blick zu. Dann riß sie ihre Handtasche auf und begann darin herumzuwühlen. Sie zog verschiedene Zettel heraus, die sie mit kurzsichtigen Augen untersuchte und dann murmelnd wieder zurückstopfte. Schließlich hatte sie gefunden, was sie suchte. Sie gab ihrem Neffen einen Briefumschlag, auf dem in Ulrikes schöner Schrift sein Name stand.
    Er riß ihn auf und nahm ein weißes Blatt Papier heraus. Nur ein einziges Wort stand darauf: Verzeih!
    Er setzte sich. «Hast du ihre Adresse? Was ist

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