Und die Eselin sah den Engel
nun eine Chance hatten, so richtig ekelhaft zu werden.
Ach, ich kannte dieses Lachen nur zu gut. Ich wußte ganz genau, was für Späße davon inspiriert werden konnten. Nein wirklich, Lachen ist überhaupt nicht komisch. Ganz und gar nicht komisch. Bei all den Züchtigungen, die mir erteilt wurden, kann ich mich an kein einziges Mal erinnern, wo Lachen nicht der Schlachtruf gewesen wäre.
Ich fühlte, wie meine Hand sich um die todbringende Sichel spannte, und dachte: »Ich weiß nicht, weshalb ihr so fröhlich seid, Leute. Noch habt ihr mich nicht. Falls ihr’s noch nicht bemerkt habt, ich hab ‘ne mordsmäßige Sichel in der Hand, und die soll im ersten von euch steckenbleiben, der mir zu nahe kommt«; gab mir mit solch barschen Gedanken größte Mühe, mir Mut zu machen, mich aufzutauen. Aber sämtliche Gedankendrohungen von der Welt wollten diese versoffenen Schweine nicht davon abbringen, mich auszulachen – mich zu verhöhnen – auf mich loszugehen.
Mir fiel auf, daß der, der sich erhoben hatte, anders war als die andern. Er war jünger, und er lachte nicht. Sondern schüttelte langsam den Kopf, mit einem seltsamen Ausdruck in den Augen, wie ich ihn noch nie gesehen hatte. Mitleid war darin, Mitgefühl. Solch ein Blick ist mir nie wieder begegnet. Die fünf, die sich so offen über mich lustig machten, ließen mich zu Stein werden, nicht aber dieser Mann, nicht dieser aufgeblasene Verständniszeiger. Nein, eher verzehrte mich ein so heißer Haß auf diesen erbärmlichen Hurensohn, daß ich in Versuchung geriet, auf sämtliche Konsequenzen zu pfeifen und ihn gleich auf der Stelle anzuspringen und in Stücke zu reißen.
»Hurenbock«, rief mir ein Witzbold zu; er hatte einen Schnabel wie ein Vogel und in jeder Hand eine Schnapsflasche. »Hurenbock, was zu trinken«, brüllte er, und da grölten sie wieder los und schwankten vor Lachen auf ihren Stühlen. Mir fiel auf, daß jetzt schon drei von ihnen standen, und es beunruhigte mich, daß ich sie nicht hatte aufstehen sehen. Jemand sagte etwas von wegen, ich sähe aus, als hätt ich mehr Freier gehabt wie der Puff von St. Louis – offenbar ein umwerfender Witz, denn wieder brachen sie in grölendes Gelächter aus.
»Dann wolln wir dem Matrosen mal was einschenken«, sagte ein schlaksiger kahlköpfiger Witzbold; er wieherte in sein Taschentuch, heulte wie ein Hund und ließ sich, um meine Aufmerksamkeit abzulenken, rücklings vom Stuhl fallen. Genau in diesem Augenblick schmiß der mit dem Schnabel mit einer vollen Schnapsflasche nach meinem Kopf und schrie »Katzenpisse«. Aber ich sah sie kommen und trat einfach zur Seite, ließ die Flasche an mir vorbeisegeln und an einem Betontrog zerschellen, der ein paar Schritte weiter neben den Schienen stand.
»Da müßt ihr schon besser zielen, wenn ihr Euchrid Eucrow umhauen wollt«, dachte ich, und eine Sekunde lang reizte es mich schier zum Lachen, so schwach war dieser Wurf.
Ich hätte das Ding praktisch mit bloßen Händen auffangen können. »O nein, da müßt ihr euch schon mehr einfallen lassen!«
Plötzlich standen sie alle, die Gesichter geballt wie wütende Fäuste. Jetzt lachten sie nicht mehr. Und ich wußte, die Zeit zum Handeln war nah. Zeit, sich zu bewegen. »Lauf!« dachte ich, »Lauf!« Und wißt ihr was? Genau das hab ich getan.
Ich hab mich nicht umgeblickt, wußte aber, daß sie mir nachliefen, denn ihr Drohgebrüll hinter mir war nicht zu überhören – ihr saurer Atem stieß wie ein Brandeisen in meinen Nacken. »Krüppel.«
»Kaffer.«
»Dafür wirst du bezahlen, du Sausack.«
»Das war ‘ne volle Flasche, du Mistkerl. Dafür wirst du bezahlen. Wirst dir noch wünschen, du hätts die Katzenpisse getrunken.« Hab ich die vielleicht geworfen, oder die? Ich war eine schlechte Nachricht, und die würden mich umformulieren, falls sie mich in die Finger bekämen. Ich stürmte weiter, mit keinem anderen Gedanken im Kopf, als meinen Arsch da rauszuretten.
Wann genau sie die Verfolgung aufgaben, weiß ich nicht, aber eins sag ich euch, ich hatte bestimmt nicht vor, stehenzubleiben und es rauszufinden. Als ich aus ihrem Arbeitslager stürzte und die Maine Road langrannte, schienen ihre mörderischen Drohungen immer heftiger und ihre Racheschwüre immer giftiger zu werden, bissiger und beredter und noch gräßlicher als schon am Anfang. Aber das war noch nicht alles. O nein. Noch längst nicht. Während ich so rannte und gewaltige stechende Ladungen der verrückten Luft des Tals in
Weitere Kostenlose Bücher