Und die Goetter schweigen
meldete sich niemand. Sie fluchte zwischen den Zähnen hindurch, als sie ihre Schwiegermutter anrief. Geduldig hörte sie sich den ganzen Sermon der Schwiegermutter darüber an, wer SCHULD daran war, dass Artur und Linda ANGESTECKT worden waren. Maria konnte beim besten Willen nicht verstehen, warum es so wichtig war, wer wen mit einer Erkältung angesteckt hatte. Als ob jemand rumgelaufen wäre und andere bewusst angesteckt hätte, aus reiner Bosheit. Die Schwiegermutter hatte zwei Hauptverdächtige: Edith Bäckman mit dem Schäferhund war gleichzeitig wie Artur im Laden gewesen. Er hatte ihr einen Zehner gewechselt, und sie hatte geschnieft und war zu dünn angezogen gewesen. Artur, der ein guter Mensch war, hatte natürlich nicht Linda angesteckt oder umgekehrt. Nein, Linda hatte sich verkühlt. Die Kälte hatte Lindas Krankheit verursacht, und das war Marias Schuld, weil sie dem Kind nie Wäsche anzog. Womit die Schwiegermutter ganz zwanglos darauf zu sprechen kam, dass Mütter zu Hause bei ihren kranken Kindern zu sein hatten. Maria murmelte, dass die Krankenkasse da ganz anderer Ansicht sei. Die Krankenkasse fand es nämlich völlig in Ordnung, dass der Vater sich, wenn er Urlaub hatte, um die Kinder kümmerte, während die Mutter arbeitete. Etwas anderes würden sie jedenfalls finanziell nicht unterstützen. Die Schwiegermutter wurde böse und irritiert, weil ihr widersprochen wurde, und fauchte, hier versuchte sie nett zu sein und zu helfen, und das war dann der Dank. Wenn ihr etwas nicht passte, könnte Maria sofort kommen und ihre Kinder holen. Das könnte sie! Maria fragte vorsichtig, wo Krister denn sei, und erhielt zur Antwort, dass der mit Professor Höglund im Hotel sei und Billard spielte. Die Schwiegermutter hatte nicht vor, ihn zu stören. »Er arbeitet so schwer, und da braucht er manchmal auch ein bisschen Entspannung, verstehst du?«
DER 26. DEZEMBER
13
Früh am zweiten Weihnachtstag warf Maria die Bettdecke zur Seite und schlich sich ins Kinderzimmer. Linda schlief mit ausgestreckten Armen auf dem Rücken liegend. Ihre Stirn war immer noch heiß, der Daumen war aus dem Mund gerutscht. Emil hatte wie üblich die Decke weggestrampelt, sie lag auf dem Fußboden. Er selbst hatte sich in der Kälte wie ein kleiner Ball zusammengerollt. Maria hob die Decke auf und fühlte seine Stirn. Sie war kühl. Trotzdem meldete sich ein schlechtes Gewissen, ganz von allein, auch ohne die Kommentare und die rücksichtslose Fürsorge der Schwiegermutter. Hätte Krister ein schlechtes Gewissen gehabt, wenn er Maria mit den kranken Kindern allein zu Hause gelassen hätte? Selbstverständlich nicht! Wenn Krister nur ein wenig mehr Verantwortung übernehmen würde, brauchte sie sich nicht solche Gedanken zu machen. Gestern Abend hatten sie sich gestritten, als Krister nach Hause gekommen war. Maria hatte die Kinder selbst bei der Schwiegermutter abholen müssen, zu einer Zeit, als sie längst ins Bett gehörten. Krister war um Mitternacht nach Hause gekommen, mit einem kleinen Schwips und vollkommen unbeschwert. Es dauerte, bis er überhaupt zu einem ernsthaften Gespräch im Stande war. Als sie ihn dann so weit hatte, war Maria übermüdet und wütend. Der Streit war da. Ohne sich zu versöhnen, waren sie eingeschlafen, ganz gegen alle guten Vorsätze. Krister dachte gar nicht daran, ihr zu versprechen, die Kinder nicht der Schwiegermutter zu überlassen, solange Maria in Uppsala war. Ob das eine Art von Erpressung ( »Fahr du nur weg, dann wirst du schon sehen, was passiert!« ) oder lediglich reines Phlegma war, konnte sie im Augenblick nicht beurteilen. Aber als sie die Angelegenheit überschlafen hatte und am Morgen des zweiten Weihnachtstages aufwachte, eine Tasse Kaffee getrunken und die nächste eingegossen hatte, schien Phlegma die plausibelste Alternative zu sein. Hauptsache, den Kindern geschah nichts, ansonsten war es Kristers Angelegenheit, wie er das Ganze organisierte. Wenn es der Schwiegermutter zu viel wurde, musste sie das mit Krister klären. Weihnachten war überhaupt nicht so geworden, wie Maria sich das vorgestellt hatte. Sie hatte sich darauf gefreut, dass die ganze Familie am zweiten Feiertag nach Uppsala zu ihren Eltern fahren würde. Jetzt hingen sie mitten in den Ermittlungen zweier Morde. Vielleicht würde sie gar keine Zeit haben, sich zu treffen und etwas zu unternehmen. Die Angaben über ein Opfer in Uppsala vor neun Jahren, ein erhängter Mann bei der Kirche in Gamla Uppsala, mussten
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