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Und die Goetter schweigen

Und die Goetter schweigen

Titel: Und die Goetter schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Janson
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Maria, wenn auch widerstrebend, in ihr Büro. Als sie sich gegenübersaßen, sah Maria die Spuren der Müdigkeit, schwarze Schatten unter den Augen und ein angestrengtes Lächeln. »Ich habe keine Morgenzeitung gekauft. Ich wollte zuerst die Version der Polizei hören, nicht die der Presse«, begann er. »Anneli und ich sind im Leichenschauhaus gewesen. Wie geht es jetzt weiter, wird er obduziert?« Maria nickte schweigend. »Wir sind gezwungen, so viele Informationen wie möglich zu sammeln, um feststellen zu können, was ihm passiert ist. Kein Zweifel, dass es Mord ist.«
    »Ich habe immer Angst davor gehabt, dass Kent mal jemanden erschlägt. Dass er selbst Opfer geworden ist, scheint mir so unwahrscheinlich.«
    »Wie meinen Sie das?« Nach einem Moment des Zögerns, in dem er offenbar nach Worten suchte, sagte Erik leise: »Er hatte eine Bewährungsstrafe bekommen, wegen Körperverletzung. Aber das wissen Sie sicher schon.«
    »Ja, aber erzählen Sie doch mal, was damals passiert ist.«
    »Da muss ich ganz früh anfangen, als wir klein waren. Vater ist abgehauen. Mama lebte mit verschiedenen Männern zusammen. Ich als Jüngster durfte zu Großvater und Großmutter. Aber die schafften Kent rein kräftemäßig nicht, er war fünf Jahre älter als ich und damals schon ein richtiger Rüpel. Kent zog zwischen verschiedenen Pflegefamilien hin und her, es hielt nie lange. Manchmal holte Mama uns nach Hause. Wir sollten eine neue Familie werden, mit dem Mann, den sie gerade hatte, neuen Geschwistern und neuen Papas. Das ging jedes Mal schief. Kent bekam die Schuld. Ich durfte in die Sicherheit zurückkehren. Mit Kent wollte sich keiner abgeben. Nach der letzten ›Familienzusammenführung‹ haben wir uns mehrere Jahre lang nicht gesehen, wohnten in verschiedenen Städten. Als ich achtzehn wurde, kam er zu Großvater und Großmutter, um uns seine Freundin vorzustellen. Gleich danach zogen sie in die Stadt. Kent besorgte sich die Würstchenbude. Er bekam von Großvater Geld geliehen. Ich hatte guten Kontakt zu seiner damaligen Verlobten. Eine Zeit lang später erzählte sie mir, dass sie Angst vor Kent hätte. Er bewachte sie eifersüchtig. Mit anderen Männern durfte sie nicht sprechen, kaum vor die Tür gehen. Kent bildete sich ein, sie hätte was mit dem Hauswirt. Die beiden Männer trafen sich in einem Selbstbedienungsrestaurant, um die Sache durchzusprechen, und der Hauswirt verließ den Laden ohne Vorderzähne. Danach verfolgte Kent seine ehemalige Verlobte, bis er Anneli traf, und da ging alles wieder von vorn los.« Erik war während des Gesprächs immer weiter in sich zusammengesunken, mit dem Kopf tief zwischen den Schultern, ständig fasste er sich an den Hals und zupfte an den Hemdsärmeln, als ob sie zu eng wären. »Man konnte ihm keine Schuld geben. Wenn ich der Ältere gewesen wäre, wäre ich sicher genauso geworden. Auf dem Weg hierher bin ich bei Mama vorbeigefahren, jedenfalls bei dem, was von ihr noch übrig ist. Sie erkannte mich kaum noch. Das Hirn weggesoffen. Sie reagierte nicht, als ich ihr sagte, dass Kent tot ist. Sie wollte nur in Frieden gelassen werden und schlafen.«
    Zur vereinbarten Zeit ging Maria in den Besprechungsraum. Auf dem Weg dahin kam sie an Sturms Büro vorbei. Durch die Glasscheibe konnte sie sehen, wie er dasaß und eine lange Kette aus Büroklammern konstruierte, langsam und konzentriert. Die sah aus wie die Ketten, die kretische Männer sich für den Ruhestand zulegen, um daran herumzufingern. So eine Art Gegenstück zu der schwedischen Angewohnheit, Daumen zu drehen. Vielleicht war diese Kettenkonstruktion eine Möglichkeit, die Jagd nach dem Mörder zu visualisieren. Das konnte man sich bestenfalls noch vorstellen. Sah man genauer hin, so war die Konstruktion auch nicht aufwändiger als die gebastelten Werke, die Emil aus dem Kindergarten mit nach Hause brachte. Maria unterbrach Sturms Arbeit durch ein Klopfen. »Es ist Zeit.« Arvidsson und Ek hatten eine Unterredung unter sich, Maria hörte mit einem halben Ohr der ständig stattfindenden kulinarischen Diskussion zu. »Man soll Frauen nicht zu Weißwein und Krabben einladen, das ist phantasielos, verstehst du. Das kann jeder, nur einfach losgehen und einkaufen. Das ist ungefährlich und deshalb langweilig. Nein, eine Mahlzeit soll Sorgfalt ausstrahlen, Verwegenheit und Gefühl. Da muss Spannung in der Luft liegen.«
    »Was ist mit Kohlrouladen?«, murmelte Arvidsson. »Nein, nein, das muss was Leichtes sein, was

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