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Und die Ratte lacht - Roman

Und die Ratte lacht - Roman

Titel: Und die Ratte lacht - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Persona Verlag
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den Menschen verbessern könne, denn er verstand bereits, dass er ihn ein bisschen zu schnell erschaffen und vermutlich etwas geschlampt hatte.
    Ich sage nicht, dass er schuld daran ist.
    Am folgenden Sonntag, genau eine Woche, nachdem er mit der Erschaffung begonnen hatte, riss Gott sich wieder den Arsch auf, entschuldige den Ausdruck, um für den Menschen Eigenschaften zu erdenken, denn er glaubte, das wäre eine Art Upgrade. So kam der Neid in die Menschen, eine ansteckende Eigenschaft, die sich schnell verbreitete, wie meine Großmutter sagte.
    Es verging fast kein weiterer Tag, und schon versammelten sich die Tiere vor Gott und sagten, auch sie wollten menschliche Eigenschaften.
    Gott sagte, schaut, ihr habt ja schon eine menschliche Eigenschaft, und zwar nicht irgendeine, sondern den Neid, der als wichtigste menschliche Eigenschaft gilt. Aber das war ihnen nicht genug.
    Gott in der Geschichte meiner Großmutter war nicht nur fleißig, sondern auch freigebig, deshalb stimmte er zu, den Tieren noch das Weinen zu geben. Bis heute weint die Seeschildkröte, wenn sie in Sommernächten ihre Eier am Strand ablegt, und die Hunde und Katzen weinen, wenn sie sich gepaart haben, nur tun sie es ohne Tränen.
    Alle Tiere waren zufrieden, das Weinen war ihnen recht. Nur die Ratte begnügte sich nicht damit, was Gott ihr gegeben hatte. Die Ratte wollte nicht weinen. In ihrer Unverfrorenheit – und auch das ist eine Eigenschaft, die direkt von Gott stammt – stellte sie sich vor ihn hin und verlangte ausgerechnet das Lachen.
    Meine Großmutter betonte das Wort Lachen, als wäre es etwas ganz Fremdes.
    Gott wunderte sich. In der Welt, die er unter der Erde geschaffen hatte, war die Stille die größte Errungenschaft. Um die Stille zu erschaffen, hatte er sich wirklich ganz besonders angestrengt. Unten, im Gegensatz zu oben, konnte man sogar die Wurzeln wachsen hören, oder wie die Wassertropfen aufgesaugt wurden. Das war es, was Gott zur Ratte sagte, und er war wirklich stolz auf sein Werk.
    Aber die Ratte gab nicht auf, sie verlangte von Gott das Lachen.
    Sie sprach so schnell, als habe sie Angst, sie könne die Geschichte vergessen. Ich sagte, Oma, ich komme kaum mit dem Schreiben mit, aber sie tat, als habe sie mich nicht gehört.
    Gott sagte zur Ratte, ich habe dir Zähne zum Beißen gegeben, und Krallen, mit denen du dir Höhlen graben kannst, ich habe dir ein wunderbares Gehör geschaffen und einen hoch entwickelten Geruchssinn, dass sind ausgezeichnete Eigenschaften im Allgemeinen, und für eine Ratte im Besonderen. Gott verstand nicht, warum die Ratte immer noch mehr wollte. Er hatte ihr doch gar keine großen Augen gegeben.
    Aber die Ratte war ein großer Dickkopf, genau wie Gott, und hörte nicht auf zu diskutieren. Sie sagte die ganze Zeit, »ich will«, und »es steht mir zu«, deshalb verstand Gott, dass die Ratte versehentlich ein Übermaß an menschlichen Eigenschaften erwischt hatte.
    Gott sagte, die Schlange hat kein Lachen, der Maulwurf hat kein Lachen, der Wurm hat kein Lachen, und du bist ein unter der Erde lebendes Tier, genau wie sie. Warum willst du dich über sie erheben?
    Da beschloss die Ratte, eine andere Taktik anzuwenden, und sie begann zu flehen. Denn sie wollte wirklich lachen können, zumindest einmal.
    Die Ratte quengelte lange, und Gott wollte schon zu seiner Schöpfungsarbeit zurückkehren, denn er hatte es eilig, einige Mängel zu korrigieren – er hatte schon gemerkt, dass sich nicht alles reparieren ließ – und wollte die lästige Ratte loswerden, deshalb sagte er, bis du nicht jemanden unter der Erde, neben dir, lachen hörst, solange wirst du selbst nicht lachen.
    Und dann schickte Gott das Tier endgültig vom Himmel unter die Erde und dachte, eine Ratte hat ein kurzes Gedächtnis, dieses Versprechen verpflichtet mich zu nichts.
    Gut, ich klappte das Heft zu, ich nahm an, das wäre das Ende. Es hörte sich an wie das Ende.
    Meine Großmutter sagte, die Erinnerung wird nicht durch Worte weitergegeben, leg das Heft weg. Aber ich hielt es fest, ich drückte es sogar auf meine Knie, die ein bisschen zitterten.
    Sie fuhr fort. Die Zeit verging. Das Fortschreiten der Zeit ist das fundamentalste Gesetz der ersten Schöpfung, und unter der Erde war kein einziges Lachen zu hören. Die Ratte suchte in ihrer Höhle nach dem Lachen. Nichts. Dann grub sie nachts unterirdische Gänge und entdeckte viele Löcher und Höhlen von anderen Geschöpfen. Sie sah tote Menschen unter der Erde ruhen,

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