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Und die Ratte lacht - Roman

Und die Ratte lacht - Roman

Titel: Und die Ratte lacht - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Persona Verlag
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zugeben, Einschüchterung ist ein wirkungsvolles Mittel, um sicher zu sein, dass die Dinge nicht verloren gehen.
    Je mehr ich lese, umso weniger verstehe ich, aber das macht nichts, ich habe mich schon mit jemandem in Verbindung gesetzt, der in dieser verdrehten Welt lebt, und man braucht nicht alles zu verstehen – es reicht, wenn man es fühlt. Wie wir beide es tun, obwohl wir uns noch nie getroffen haben.
    Du wirst es nicht glauben, ich habe die Gedichte sogar auf richtigem Papier ausgedruckt, was ich sonst nie tue, denn ich musste die Wörter fühlen, ich musste spüren, dass das, was da geschrieben steht, wirklich existiert. Ich habe meinen PC ausgemacht, habe sogar den Stecker rausgezogen, und habe in der Dunkelheit dagelegen. Plötzlich hatte ich das Gefühl, als würden die Wörter auf meinem Fleisch erscheinen, wie ein leuchtendes Tattoo.
    Die Übelkeit hörte erst auf, als es hell wurde.
    Am Morgen fanden meine Eltern alles, und sie schnappten buchstäblich über. Meine Mutter schrie, die Gedichte seien einfach krank. Auch nach Ansicht meines Vaters ist derjenige, der die Website gemacht hat, psychisch krank, einer, den man aus der menschlichen Gesellschaft ausschließen muss, weil er irgendeinen bösen Plan verfolgt.
    Meine Eltern haben sogar gedroht, zur Polizei zu gehen und zu verlangen, dass der Zugang gesperrt wird, deshalb beeile ich mich, dir zu schreiben, damit wir es gemeinsam schaffen, die Gedichte zu verbreiten.
    Wenn sie mich anschreien, drehe ich ihnen einfach den Rücken zu.
    Ich sitze vor den Blättern – echtes Papier – und lese alles, vom Ende zum Anfang und vom Anfang zum Ende, auch wenn klar ist, dass es nicht das Ende ist. Ich liege da, und jemand gräbt. In einer Tiefe, die ich nicht kenne. Ich wollte es überhaupt nicht … das gehört nicht zu mir, und plötzlich ist es doch so. Ohne dass ich es wollte, zerbrechen all meine Grundbegriffe und ich bin sowohl das Mädchen als auch die Ratte. Ich weiß sie schon alle auswendig, für den Fall, dass sie gelöscht werden, obwohl es unlogisch ist, dass etwas, was von einem Menschen an einen anderen übertragen wird, je gelöscht werden kann.
    Ich konnte nicht anders, ich musste eine eigene Zeile hinzufügen. Ich habe das seltsame Gefühl, dass es genau das ist, was der Dichter – oder der Besitzer oder wer es auch immer ist –, gewollt hätte. Denn nur wenn wir reagieren, werden wir uns erinnern. Auch wenn wir nicht genau wissen, an was wir uns erinnern sollen.
    Ich habe das Gefühl, als höre man mich auf der ganzen Welt. Eigentlich wollte ich weinen, aber ich muss dir sagen, Stasch, ich habe in meinem ganzen Leben noch nie so gelacht.

Ende
    Ich möchte so gern sterben,
    was kann ich machen, dass ich sterbe.
    Es reicht nicht, sterben zu wollen,
    und es reicht nicht, zu sterben.
    Denn auch wenn ich sterbe,
    ist das nicht das Ende
Rechenkunst
    Eins zwei drei vier,
    ein Mädchen, eine Ratte, sind hier.
Noch eine Rechenkunst
    Nur eins ist allein,
    ein Mädchen so klein.
Addition – Subtraktion
    Vater, Mutter und Mädchen sind drei,
    eine Familie, Dienstmädchen dabei.
    Eine verschwunden,
    und zwei sind weg
    das Kind unter der Erde,
    allein im Dreck.
Groß – klein
    Draußen hab ich ein großes Loch,
    und in mir nur ein ganz kleines,
    das große Loch gehört mir,
    das kleine gehört Stefan.
Warum
    Kartoffeln, warum?
    Darum.
    Läuse, warum?
    Darum.
    Dunkelheit, warum?
    Darum.
    Und Stefan, warum?
Wie viele
    Wie viele Kartoffeln?
    So viele.
    Wie viele Läuse?
    So viele.
    Wie viel Dunkelheit?
    So viel.
    Und wie viel dieser Stefan?
Männlich – weiblich
    Gut, dass du ein Rattenmann bist,
    und keine Rattenfrau,
    gut, das du ein Tiermann bist,
    und keine Tierfrau,
    nur ein Rattenmann
    kommt von hier raus,
    und jede Rattenfrau
    ist Stefans Beute.
Oben – unten
    Oben
    Bauern,
    noch weiter oben
    Vögel,
    und ganz ganz oben
    Eltern.
    Unten
    Juden,
    noch tiefer unten
    Kinder,
    und am tiefsten
    die Kinder
    von Juden.
Vater – Mutter
    Mutter sagte, sei ein braves Kind,
    und Vater sagte nichts.
    Vater Ratte schwieg,
    und Mutter Ratte sagte nichts.
    Schade, dass ich nicht bei ihnen geboren bin.
Fern – nah
    Jesus ist fern,
    dieser Stefan ist nah,
    und meine Mutter, wo ist sie?
    Ich darf nicht dran denken,
    nie darf ich das, nie.
Umgekehrt
    Was ist besser,
    ein Loch mit einem Mädchen, das lebt,
    oder ein Grab mit einem toten Mädchen?
    Vielleicht umgekehrt –
    ein Loch mit einem toten Mädchen,
    oder ein Grab mit einem, das

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