aber dickschädlig . Ich bedaure das auch wegen ihrer Familien-Kirchenbank. Sie stand hier seit 1805, seit hundertfünfzig Jahren also. Sie haben sie eines Abends zurückgeholt. Um genau zu sein, der Bolgotti ist gekommen, weil er mit mir reden wollte. Jesus, ihr Haus steht direkt gegenüber der Kirche auf der anderen Seite der Piazza, und das Korridorfenster des ersten Stockwerks schaut genau auf die Kirche. Jetzt steht die Kirchenbank der Familie dort, und jeden Sonntag öffnen die Bolgottis das Fenster und folgen so der Messe. Die alte Giuseppina hat es mir gesagt, denn sie ist ihre Vertrauensperson. Das machen sie jeden Sonntag. Jesus, ich weiß, es stimmt nicht mit den Regeln überein, aber ich möchte dich bitten, die Bolgottis als in der Kirche anwesend zu betrachten.»
Christus gab keine Antwort und Don Camillo fuhr fort:
«Jesus, ich sehe alles ein, aber du mußt dir vor Augen halten, daß ich nur ein kleiner Seelenhirte bin, der im Taglohn arbeitet. Ich bin nur das letzte Rad am Wagen.»
Don Camillo hob die Schultern, dann schaute er wieder hinauf und sagte:
«Jesus, mach, daß ich nicht das fünfte Rad am Wagen bin.»
Christus antwortete nicht, und Don Camillo entfernte sich langsam, das Herz voll tiefer Trauer.
Der Rohling
Der Rohling war ein Gottloser.
Dies war nicht einfach Sache des Parteibuches, denn hier, längs des großen Flußes , gab es nämlich Rote wie Unkraut. Aber selbst wenn sie nie in die Kirche gingen oder sich sonstwie verrucht gaben oder irgendeine Gaunerei ausheckten, sei es mit einem politischen oder einem persönlichen Hintergrund - einen Gott hatten sie alle.
Es gab, nimmt man alles in allem, eigentlich keine Menschen ohne Gewissen - außer dem Rohling.
Dieser kannte keine Hemmungen, keine Gewissensbisse. Nichts konnte ihm den Schlaf rauben. Für ihn gab es, wenn er einen Schädel oder einen Stein zertrümmern sollte, nur einen Unterschied: Um einen Stein zu zertrümmern, mußte man kräftiger zuschlagen.
Im Dorf getrauten sich nicht einmal seine Kumpane, ihn zu reizen, denn wenn er einmal in Fahrt kam, schaute der Rohling weder nach rechts noch nach links.
Natürlich finden solche Unglücksmenschen nie eine so verrückte Frau, die es ihnen gehörig heimzahlen würde. Nein, sie finden im Gegenteil immer die bravsten Mädchen der Welt, die, nachdem sie als Verlobte eine Menge Ohrfeigen eingesteckt haben, nur darauf erpicht sind, als Ehefrau noch mehr einzustecken.
Das unglückliche Frauenzimmer, das sich vom Rohling heiraten ließ, war Celestina Brecci , eines der sanftmütigsten Mädchen des Dorfes. Sie gehörte zu jenen weiblichen Wesen, die die Ehe als eine missionarische Aufgabe betrachten.
Celestina verzweifelte nicht, als sie sah, daß der Rohling, statt sich zu bessern, immer schlimmer wurde.
Jetzt mag es so bleiben>, dachte sie,
Endlich war der Sohn da, und tatsächlich änderte sich der Rohling.
Er wurde noch bösartiger, noch brutaler.
Aber Celestina verlor den Mut nicht.
, dachte sie,
Monate und Jahre vergingen, aber der Rohling blieb immer derselbe, und er schien erst zufrieden zu sein, als der Junge fünf wurde.
«Jetzt», sprach er, «jetzt bist du groß genug, daß ich dich mit Kopfnüssen traktieren kann!»
In Wirklichkeit aber hatte Cino , der Sohn des Rohlings, gar nichts von seinem Vater. Er war überhaupt nicht von der Art, die man mit Kopfnüssen traktieren konnte, denn er war nicht nur sehr klein, sondern auch überaus sanft und zart wie die Mutter.
«Er ist so dumm, daß es gar keine Freude macht, ihn zu schlagen», mußte der Rohling nach einiger Zeit zugeben.
Und da er auf seine geheiligten Rechte nicht verzichten wollte, hielt sich der Rohling an der Mutter schadlos, indem er ihr auch noch die Prügel verabreichte, die eigentlich seinem Sohn zugedacht waren.
Als er sechs Jahre alt war, wurde Cino zur Schule geschickt. Das Haus des Rohlings war sehr abgelegen, inmitten der Felder, und man mußte ein ordentliches Stück Weg zu Fuß gehen, um ins Dorf zu gelangen. Aber Cino hatte die Abkürzung schon bald heraus.
Es gefiel ihm sehr, allein über die einsamen Felder zu schlendern. Die Gesellschaft anderer Kinder langweilte ihn.
Durch das Leben in der abgelegenen Hütte hatte Cino bis anhin nur einen einzigen Fremden kennengelernt: den