und du bist weg
Deutschland hatten sie zu den Ersten gehört, die Mess- und Regelsysteme entwickelt und an die großen Elektronikriesen verscherbelt hatten. Im Zeitalter des Global Sourcing konnten sie jedoch mit den Billigimporten aus Fernost nicht mehr mithalten.
Notgedrungen hatten sie die Produktpalette der Firma vergrößert, wodurch sich der Laden vom hoch qualifizierten Spezialbetrieb zu einem x-beliebigen Gemischtwarenladen entwickelt hatte; zuletzt mussten sie jeden Auftrag annehmen, den sie bekommen konnten. Den Tod der Firma hatte das allerdings lediglich verzögern, nicht verhindern können. Und sein eigener Sohn hatte fleißig dazu beigetragen, Erde auf den Sarg zu schippen.
Dieser Bastard hatte Burgert, seit er auf der Welt war, nur Ärger bereitet. Alleine die Verrenkungen, um die Existenz des Kindes vor seiner Frau geheim zu halten. Olafs Mutter hatte er in der Partei kennen gelernt, sie war eines dieser blutjungen Dinger gewesen, die man aus Ostpreußen vertrieben hatte und die in Massen der CDU in die Arme gelaufen waren, von der sie sich die Rückkehr in ihre alte Heimat versprachen. Burgert erinnerte sich noch wie gestern an diesen verflixten Abend. Adenauer hatte eine Rede in Essen gehalten, als Ortsvorsitzender der Partei war für ihn, Burgert, Anwesenheit natürlich Pflicht gewesen. Nach der Veranstaltung hatte er sie dann gesehen; sie stand, in eine lächerliche Tracht gepresst, direkt vor der Rednerbühne und diskutierte lautstark mit einigen Politbonzen, die erst einige kurze Jahre zuvor die schwarze Uniform gegen das christliche Parteibuch getauscht hatten. Burgert hatte die Frau angesprochen, sie hatten einen Kaffee getrunken und waren dann irgendwann in einem Nebenraum auf eine schnelle Nummer verschwunden. Drei Monate später stand die Frau plötzlich in seinem Büro und eröffnete ihm, dass er Vater werden würde.
Erst ein Jahr vorher hatte er geheiratet, seine Frau hatte glänzende geschäftliche Verbindungen mit in die Ehe gebracht, die er für nichts auf der Welt aufs Spiel setzen wollte. Seine Karriere befand sich gerade erst am Anfang, also ging er kein Risiko ein. Er zahlte, zuerst nur eine kleine Aufbesserung zum Unterhalt, dann ein wenig mehr, als sein Sohn in die Schule kam, schließlich finanzierte er das Studium.
Seine Gattin war zwischenzeitlich verstorben, ohne dass sie Nachwuchs bekommen hatten. Trotzdem erzählte Burgert niemandem, dass Kalinowski sein Sohn war. Heute wäre das alles kein Problem mehr, aber in der damaligen Zeit hatte er sich als angesehener Geschäftsmann und aufstrebender CDU-Politiker einen solchen Skandal nicht erlauben dürfen.
Olaf war aber auch wirklich zu blöde. Das Studium schaffte er nur mit Ach und Krach, obwohl es ihm tatsächlich gelungen war, in den Staaten auf einer renommierten, aber auch sündhaft teuren Universität aufgenommen zu werden. Das hatte Burgert zwar eine Stange Geld gekostet, aber er dachte damals, dass der Firma ein Geschäftsführer mit dem Diplom einer der besten Unis der Welt gut zu Gesicht stünde. Und was machte dieser Blödmann? Verzapfte den größten Mist und musste Hals über Kopf die Staaten wieder verlassen. Und dann die ganzen Eskapaden, die er sich später in seinem Heimatland leistete! Mehr als einmal hatte Burgert seinen Einfluss spielen lassen müssen, damit das Erzeugnis seiner Lenden nicht für mehrere Jahre Urlaub auf Staatskosten machen musste.
Burgert hatte die Firma erreicht. Er war in einer ungewohnt melancholischen Stimmung, als er das dicke Schlüsselbund aus der Tasche zog und das kleine Tor neben der LKW-Zufahrt aufsperrte. Das Gelände lag still und friedlich in der Abendsonne, die sich auf den Scheiben des Verwaltungsgebäudes spiegelte. Wann hatten sie da Richtfest für den Neubau gefeiert? Tatsächlich schon vor zwölf Jahren?
Seufzend ließ er die Schlüssel durch die Finger gleiten, bis er den für die Eingangstür gefunden hatte. In der Stille hörte er deutlich das Schnappen des Schlosses. Sanft schwang die Tür hinter ihm zu.
Die Luft war abgestanden, am Freitag wurde die Klimaanlage abgeschaltet und erst am Montagmorgen wieder in Betrieb genommen. Burgert lehnte sich einen Moment an die Theke der Telefonzentrale, deren Besatzung gegebenenfalls auch das Besuchskomitee für etwaige Gäste zu spielen hatte. Die beiden Arbeitsplätze sahen ordentlich und aufgeräumt aus und machten auf jeden, der die Firma betrat, einen guten Eindruck.
Burgert ließ die Aufzüge links liegen und ging durch den
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