Und eines Tages kommt das Glück
befand sich eine Auswahl an flachen Slippern. Manche waren schlicht, aber die meisten hatten irgendein schmückendes Detail – Pailletten, Perlen oder Strass –, um sie aufzupeppen. Auch bei flachen Schuhen wollte Veronica wohl nicht auf den gewohnten Glamour verzichten.
Romy packte alle Slipper ein, schob sie in eine der beiden großen Einkaufstaschen, wählte einige Hosen aus (Veronica hatte in den Tagen, seit Romy zu Hause war, nur Hosen getragen, was vermutlich daran lag, dass ihre Mutter lieber tot gewesen wäre, als zum Rock flache Schuhe anzuziehen) und holte aus der Kommode mehrere Oberteile, die ihrer Meinung nach gut dazu passten.
Dann brachte sie das alles nach unten und verstaute die Sachen in dem zwar weniger luxuriös, aber ebenso geschmackvoll eingerichteten Gästezimmer, ehe sie in das Schlafzimmer ihrer Mutter zurückkehrte, um deren Unterwäsche zu holen. Als sie langsam die Schubladen mit Veronicas Büstenhaltern und Slips herauszog, kam Romy sich vor wie ein Voyeur und fühlte sich ziemlich unwohl in ihrer Haut. Sie spürte sogar, wie sie errötete, als sie die Dessous aus feiner Spitze und Satin in die Hand nahm. Ich käme nie auf die Idee, solche Sachen zu tragen, dachte sie, als sie bewundernd einen BH mit passendem Höschen von Janet Reger in die Höhe hielt. Warum trägt meine Mutter so etwas? Für wen macht Veronica sich schön? Für sich selbst? Aber welche Frau machte sich schon die Mühe, Reizwäsche von Janet Reger nur zum eigenen Vergnügen zu tragen? Oder war sie – Romy – diejenige, die von nichts eine Ahnung hatte, nur weil sie simple Baumwollslips bevorzugte? Es war ja nicht so, dass sie dieses Thema völlig kaltließ, manchmal kaufte sogar sie sich Unterwäsche von Calvin Klein, aber irgendwie war das nicht dasselbe!
Hastig schob Romy die Schublade wieder zu. Sie hatte genug
Probleme, mit denen sie fertig werden musste, und ertrug es plötzlich nicht eine Sekunde länger, sich Gedanken über die Reizwäsche ihrer Mutter zu machen. Stattdessen ging sie ins Badezimmer, sammelte die Kosmetikprodukte ein, die Veronica nicht mit ins Krankenhaus genommen hatte – eine umfangreiche Kollektion an Cremes, Emulsionen, Peelings und Lotionen –, und stopfte alles in eine zweite Tüte. Auch diese trug sie hinunter in das Gästezimmer, wo sie die Unterwäsche unbesehen in die Schubladen legte, nur im Bad ließ sie sich ein wenig Zeit, die Cremes und Tiegel gefällig zu arrangieren. Sie hatte weder herumgeschnüffelt noch allzu neugierig in den Schränken gestöbert. Trotzdem hatte Romy das Gefühl, Veronicas Intimsphäre verletzt und Dinge über sie erfahren zu haben, die sie nichts angingen. Als sie sich mit einem Becher heißer Schokolade vor den Fernseher setzte, musste sie ständig an die winzigen Höschen, die Push-up-BHs und an die sexy Schuhe denken und wünschte sich, sie wüsste nichts darüber.
Sie ist schließlich meine Mutter, dachte Romy, aber sie ist auch ein eigenständiger Mensch. Sie hat das Recht, solche Sachen zu tragen, wenn sie will. Davon sollte ich mich nicht aus der Fassung bringen lassen. Ich sollte mir lieber Helen Mirren vorstellen. Immerhin hält man diese Schauspielerin für eine der Frauen mit dem größten Sexappeal auf der Welt, und sie ist älter als Veronica!
Aber Helen Mirren ist nicht meine Mutter, Veronica hingegen schon. Und ich bin vollkommen durcheinander.
Kapitel 8
Am darauffolgenden Nachmittag war Romy mit ihrem Vater verabredet. Nachdem sie im Krankenhaus angerufen und sich vergewissert hatte, dass Veronicas Voruntersuchungen so weit in Ordnung waren, fuhr sie quer durch die Stadt zu Dermot. Er lebte nicht mehr in seiner früheren Wohnung, sondern war nach seiner Hochzeit mit Larissa vor fünf Jahren in ein kleines Stadthaus an der Botanic Avenue umgezogen. Von hier aus betrieb Dermot sein neues Geschäft als Studiofotograf. Er hatte den Fotojournalismus aufgegeben und konzentrierte sich auf Porträts, Hochzeiten und andere Familienfeiern. Bei seinem Abschied sei er sich vorgekommen wie ein Deserteur, hatte er Romy erzählt, aber er könne es sich leider nicht mehr leisten, weiterhin von einem Krisenherd auf der Welt zum nächsten zu ziehen. An seinem fünfzigsten Geburtstag hatte er seinen Beruf an den Nagel gehängt, da es seiner Ansicht nach genügend Jüngere gab, die besser für diesen Job geeignet waren. Außerdem müsse er Rücksicht auf seine Frau und Tochter nehmen, die jetzt an erster Stelle kamen.
Romy hatte
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