UND ES WAR SOMMER - Wiggs, S: UND ES WAR SOMMER
gewesen, dass sie noch einmal seine Nummer wählte. Eine ihr unbekannte Stimme meldete sich.
„Ich möchte Alex Montgomery sprechen“, sagte sie.
„Hey, Montgomery, irgendeine Tussi ist für dich dran …“
Als Alex ans Telefon kam, fragte sie ihn sehr kühl: „Hattest du eigentlich jemals vor, mich anzurufen?“
„Nein, ich … nein. Aber ich möchte, dass du weißt, wie leid es mir tut, dass dein Vater diesen Unfall hatte.“
„Damit ich das weiß, hättest du mich anrufen müssen.“
„Ich habe alles getan, was mir möglich war, Rosa. Es ist alles sehr kompliziert.“
„Was ist kompliziert? Mit mir zu reden?“
Er schwieg. Dann sagte er: „Ich habe eigentlich nichts zu sagen. Ja, ich habe es vermasselt, weil ich dich nicht angerufen habe und du deshalb glaubst, dass ich … dass wir … Sieh mal, wir hatten einen tollen Sommer, aber jetzt ist alles anders. Jeder von uns lebt sein eigenes Leben. Und ich … ich wünsche dir alles nur erdenklich Gute. Aber wir beide … haben keine gemeinsame Zukunft. Ich hoffe, du verstehst das …“
„Nein, ehrlich gesagt, verstehe ich es nicht. Woher kommt dein plötzlicher Sinneswandel? Hat dich deine Mutter endgültig davon überzeugt, dass ein Strandköter wie ich nicht der richtige Umgang für dich ist?“
„Es war meine eigene Entscheidung“, sagte er leise.
Rosa war wie betäubt. „Dann haben wir uns nichts mehr zu sagen“, murmelte sie und legte auf.
Sie konnte immer noch nicht fassen, welche Wendung ihr Leben genommen hatte. Der Abend von Paps’ Unfall hatte als der schönste ihres Lebens begonnen. Mit dem Anruf aus dem Krankenhaus war er zu etwas Entsetzlichem geworden, zum schlimmsten Abend ihres Lebens. Noch schlimmer als der Tag, an dem sie Mamma verloren hatte. Denn diesmal war sie allein gewesen, als sie von Paps’Tragödie erfuhr. Das unbeschreibliche Glück, das sie in Alex’ Armen erlebt hatte, war durch einen einzigen Anruf zunichtegemacht worden.
Im nächsten Sommer blieb das Haus der Montgomerys leer. Weder Mrs. Montgomery noch Alex kehrten nach Winslow zurück. Rosa war dankbar dafür. Sie hätte es nicht ertragen, wenn er mit seinen College-Freunden in „Mario’s Flying Pizza“ aufgetaucht wäre und sich von Rosa Capoletti – mit Schürze, Haarnetz und ihrem Liebesroman unter dem Tresen – hätte bedienen lassen.
In der Hoffnung, die Trennung von Alex leichter zu verkraften, versuchte sie, die ganze Sache rational zu betrachten. Einerseits war ihr klar, dass sie beide sehr jung, vielleicht zu jung waren und in verschiedenen Welten lebten. Doch andererseits hatte sie sich mit Alex immer wie magisch verbunden gefühlt. Die Magie war zwar unsichtbar, doch nichtsdestotrotz sehr real. Und an diese Magie glaubte Rosa – sie glaubte so fest daran, dass es ihr unmöglich war, ihre Überzeugung aufzugeben.
Wochen und Monate vergingen. Sie schlief wenig und schlecht und vergaß oft das Essen. Und weil es im Haus in der Prospect Street so leer war und um nicht ständig an Alex zu denken, arbeitete sie ganztags bei Mario und sprang ein, wenn jemand anderer ausfiel.
Vielleicht hatte Alex ja schon erkannt, was sie für sich erst zu lernen begann. Zu vergessen war leichter, wenn man viele Kilometer voneinander getrennt war.
30. KAPITEL
Sommer 1994
Rosa, die gerade über ihrem Geheimprojekt brütete, massierte sich den schmerzenden Rücken. Sie arbeitete an einem Businessplan. Mario wollte in den Ruhestand gehen und die Pizzeria seinem Sohn übergeben. Doch Michael hatte keinerlei Interesse.
Rosa allerdings sehr wohl. Sie war zwar erst zwanzig, doch sie verfügte über sechs Jahre Erfahrung in der Gastronomie und hatte ein ganz bestimmtes Ziel vor Augen. Es würde Jahre dauern, bis ihr Plan sich verwirklichen ließ, doch wenn es dann so weit wäre, hätte sie etwas Eigenes. Sie wollte aus „Mario’s Flying Pizza“ ein feines Restaurant machen. Bis jetzt gab es zwar nur die Idee für dieses Projekt, doch Rosa wusste, dass Mario sie unterstützen und ermutigen würde. Da Paps immer noch in der Klinik war, hatte Mario es sich zu seiner Aufgabe gemacht, sich ein bisschen um sie zu kümmern.
Das Läuten des Telefons riss sie aus ihren Tagträumen. Rasch hob sie ab.
„Rosa? Hallo, hierspricht Dr. Ainsleyvom ‚Sheffield House‘.“
Rosa klopfte das Herz bis zum Hals – wie immer, wenn jemand wegen Paps anrief. „Ist mit meinem Vater alles in Ordnung?“
„Es geht ihm gut. Besser als gut“, sagte die Ärztin freundlich.
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