UND ES WAR SOMMER - Wiggs, S: UND ES WAR SOMMER
abgebildet war, konnte sie die ersten Kunden sehen, die draußen bereits warteten.
Sie drehte das Schild an der Glastüre von „Leider geschlossen“ zu „Nur herein! Wir haben geöffnet“ um, schaltete das Neonlicht ein und sperrte auf. Eine Gruppe Jungs in grünen „YMCA“-T-Shirts stürmte herein. Die Kids waren eine bunte Mischung unterschiedlichster Nationalitäten. Groß, klein, dick, dünn – und alle hungrig. Vermutlich waren sie in einem Feriencamp und hatten heute einen Ausflug an die Küste gemacht.
Begleitet wurden sie von einem großen, blonden und breitschultrigen Mann mit Baseballkappe. Offenbar ihr Camp-Betreuer. Die hungrige Meute drängelte vor zur Theke. Rosa lief ihnen eilig hinterher.
Dann holte sie ihren Bestellblock und einen Stift aus ihrer Schürzentasche und sagte: „Herzlich willkommen in ‚Marios Flying Pizza‘. Was hättet ihr denn gerne?“
„Mann, hier riecht es gut“, rief ein Junge, auf dessen T-Shirt ein Namensschild mit der Aufschrift „Cedric“ befestigt war.
„Ich könnte einen ganzen Bären essen“, sagte ein anderer Knirps.
„Du siehst selbst wie ein Bär aus“, witzelte sein Kumpel.
„Nö, tu ich nicht.“
„Tust du doch.“
„Gibt’s hier Bären-Pizza?“
Als die Jungs nicht aufhörten herumzualbern, sah Rosa hilfesuchend zu ihrem Betreuer. Er nahm seine Baseballkappe ab und lächelte sie mit tiefblauen Augen an.
Sie schloss kurz die Augen und öffnete sie wieder. Nein, es war kein Traum. Er war es wirklich.
Alex .
Ihr Herz machte einen Freudensprung. Alex Montgomery. Alex war endlich wieder da. Er sah so … so anders aus.
„Hi“, sagte sie.
„Hi“, sagte er mit einer so tiefen Stimme, dass es sie beinahe umgehauen hätte. Es war die Stimme eines Fremden. „Ich habe gehört, dass du hier arbeitest.“
„Du hast richtig gehört.“ Oh Gott, sie hörte sich wie ein Idiot an.
Die Jungs wurden langsam ungeduldig. Und laut. Es war eindeutig ein schlechter Zeitpunkt für ein Gespräch nach so langer Zeit. Dabei hätte Rosa so viele Fragen gehabt.
Alex bestellte vier große Pizzen – zwei mit Käse, zwei mit Salami und dazu Limonade für alle.
„Zum Mitnehmen?“, fragte Rosa. Dann wartete sie so gespannt auf seine Antwort, als würde er ihr darin den Sinn des Lebens mitteilen.
„Nein, wir essen hier. Ich gehe mit den Kids auf die Terrasse.“
Auf Marios Terrasse standen im Schatten von Campari-Schirmen ein paar Klapptische. Mario hatte keine Lizenz für den Verkauf alkoholischer Getränke, doch sein Cousin Rocky hatte eine kleine Vertriebsgesellschaft und versorgte ihn großzügig mit Schirmen und Campari-Uhren.
„Was bin ich schuldig?“, fragte Alex.
Eine Erklärung, dachte sie und tippte die Bestellung in die Kasse ein. Wo warst du in den letzten vier Sommerferien?
Sie nannte ihm den Betrag, und er griff nach seiner Brieftasche.
„Oh Mann“, rief einer der Knirpse. „Seht mal, wie Alex die Kellnerin anguckt. Ihm fallen fast die Augen raus.“
„Geht schon mal auf die Terrasse“, sagte Alex. „Und füttert die Möwen nicht.“
Nachdem sich die Jungen nach draußen verzogen hatten, wurde es ganz still im Lokal. Nur Tony Bennett sang immer noch leise im Radio.
„Es stimmt“, sagte Alex, während er das Wechselgeld einsteckte.
„Was stimmt?“
„Dass mir fast die Augen rausfallen.“
Du lieber Himmel, er flirtete mit ihr. Mit dieser tiefen Stimme. Rosa bemühte sich, cool zu bleiben, und hoffte, dass er nicht merkte, wie sie errötete.
„Wo ist deine Brille?“, fragte sie. „Vielleicht verwechselst du mich ja mit jemand anderem.“
„Ich habe Kontaktlinsen.“ Er lächelte. „Wann hast du heute Feierabend?“
„Um sieben.“
„So spät? Ich liefere die Meute schon um fünf ab, dann hole ich dich ab.“
Mach es den Männern nicht zu leicht. Das war das Motto ihrer Freundin Linda. „Ich muss aber noch arbeiten.“
„Hör einfach früher auf.“
Sie zögerte einen Moment. Es war zu verlockend, und Mario würde ihr freigeben, wenn sie ihn darum bat. Doch das würde sie nicht tun. Nicht einmal für Alex.
„Sieben Uhr“, wiederholte sie.
23. KAPITEL
Der Tag zog sich dahin, und jede Minute schien wie eine kleine Ewigkeit. Um fünf verfluchte sie sich, dass sie nicht früher hatte aufhören wollen. Es war ein Werktag, die Saison hatte noch nicht richtig begonnen, und es war nicht viel los.
Immer wenn längere Zeit keine Kunden im Lokal waren, holte sie ihren Liebesroman aus der Tasche und machte es
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