Und ewig währt die Hölle (German Edition)
mit großer Wucht die Lippen und das Zahnfleisch in Ober- und Unterkiefer gespalten hatte.
«Plump?»
Rigmor Haugen zog die Latexhandschuhe aus.
«Vielleicht ein schlecht gewähltes Wort … hm … Doch, plump», wiederholte sie. «Er hat mehrere Male einen Schnitt durchgeführt. Mindestens dreimal von oben nach unten und einmal vom Schritt bis zum Brustbein.»
Lykke merkte, wie die Luft stickig wurde.
«Und das Waschpulver?»
«Blenda. Das haben wir überprüft.»
«Kannst du dir vorstellen, wieso?»
Rigmor Haugen schüttelte den grauen Kopf.
«Waschpulver besteht aus kleinen Partikeln, die Seife, Phosphate, Enzyme und Polycarboxylate enthalten. Die Partikel lösen sich sofort auf, wenn sie in Kontakt mit Feuchtigkeit kommen, und …»
«Hat sie noch gelebt?», unterbrach Lykke sie.
Haugen deckte den Körper wieder zu und schob Nadija Hadzic vorsichtig zurück in die Kälte.
«Das ist genau das, was so …» Sie zögerte und schwieg. «Es gibt keine Spuren von Stichen oder dass er versucht hätte, lebenswichtige Organe zu treffen.»
«Hat sie noch gelebt?», wiederholte Lykke.
Die Pathologin nahm die Brille ab und steuerte auf die Treppe zu.
«Höchstwahrscheinlich viel zu lange.»
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Kapitel 11
Rolf Gordon Lykke öffnete die Türen des Passat und stellte zwei Einkaufstüten auf den Rücksitz. Sonja hatte eine Stunde zuvor angerufen. Das kleine Architekturbüro war in der Endphase eines Auftrags für die Kommune Askim, deshalb musste sie bis spätabends arbeiten. Das passte ihm gut. Ausnahmsweise einmal. Er war von der Rechtsmedizin direkt zum Einkaufen gefahren, und jetzt freute er sich darauf, Ida vom Hort abzuholen.
Er manövrierte den dunkelblauen Dienstwagen aus der Tiefgarage unter dem Manglerud Senter. Als er an der Shell-Station vorbeikam, bemerkte er leichtes Schneetreiben im Licht der Frontscheinwerfer. Bilder von weißen Skispuren tauchten vor seiner Netzhaut auf. In diesem Winter musste er sich Zeit für ein paar Skiwanderungen mit Ida nehmen. Er erinnerte sich, wie sein Vater damals in den kleinen Rucksack Johannisbeersaft in der Thermosflasche, Apfelsinen und dicke Wurstbrote gepackt und ihn zum Skiwandern mitgenommen hatte. Schon als Sechs- oder Siebenjähriger war er mit seinem Vater als geduldigem Lehrer bis Ullevålseter und Kobberhaughytta hinaufgewandert. Vor ein paar Jahren, gleich nach dem Tod seiner Mutter, hatte er den Keller in seinem Elternhaus am Åkebergveien aufgeräumt und die alten Bonna-Skier mit der Rottefella-Bindung gefunden. Er hatte mit den Skiern in der Hand dagestanden und sich an das überwältigende Glücksgefühl erinnert, als er sie vor über fünfundvierzig Jahren unter dem Weihnachtsbaum aus dem Geschenkpapier wickelte. Ida hatte im letzten Winter neue Skier bekommen oder, besser gesagt, eine ganze Skiausrüstung. Alles in Rosa. Er wusste gar nicht, ob sie die Skier je benutzt hatte. Jetzt waren sie wahrscheinlich schon zu klein. Lykke bog in den Plogveien und drehte die Lautstärke des CD-Players auf.
Ein paar Minuten später parkte er vor dem flachen grauen Schulgebäude und steuerte nach kurzem Zögern auf eine braune Holztür mit einem großen B zu. Kurz bevor er die Tür erreichte, verlangsamte er seine Schritte und schaute durch die großen Fenster hinein. In dem hell erleuchteten Raum sah er Ida zusammen mit zwei anderen Mädchen, deren Namen ihm entfallen waren. Sie saßen auf dem Boden und malten, tiefkonzentriert. Eine dunkelhäutige Lehrerin saß im Schneidersitz bei zwei Jungen und spielte irgendetwas, das an Yatzy erinnerte. Plötzlich drehte sich eines der Mädchen zu Ida um, lächelte und zeigte auf Idas Bild. Ida lachte. Lykke spürte, wie ihm warm ums Herz wurde. Er hatte insgeheim immer ein bisschen Angst, dass sie vielleicht keine Freunde fand. Im selben Moment überfielen ihn die Gedanken an die Tochter der Ermordeten. Sie war bei einer Freundin gewesen, als ihre Mutter getötet wurde. Sie hat jedenfalls eine Freundin, dachte Lykke und merkte, wie absurd der Gedanke war.
Er warf einen Blick auf die Schuluhr an der Wand und zog die schwere Tür auf. Zehn vor fünf. Er hatte überlegt, ob er Tacos kaufen sollte, es dann aber gelassen, weil er vergessen hatte, wie Sonja sie zubereitete. Ich hoffe, Ida freut sich, wenn sie hört, dass es Nackenkotelett und Sauerkraut gibt, dachte er. Im selben Moment klingelte sein Handy. Er begriff erst nicht, woher das nervtötende Bellen kam, aber nach ein paar Sekunden hatte er
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