Und ewig währt die Hölle (German Edition)
regnete. Die finnische Familie, die vor kurzem eine Etage unter ihr eingezogen war, kam aus dem Gemüseladen am Knud Knudsens plass. Sie blieben immer eng zusammen und nahmen selten mehr Platz ein als anderthalb Quadratmeter. Zwei Erwachsene Mitte vierzig und zwei Jungs zwischen vierzehn und achtzehn. Alle ungefähr gleich groß und mit der gleichen milchweißen Haut. Jetzt bewegten sie sich wie eine mehrzellige Amöbe über den Bürgersteig. Eine Frau mit einem lebhaften Golden Retriever an der Leine steuerte auf den Park jenseits des Geitmyrsveien zu. Armer Terje. Wie konnte ein Hund in den Bergen verschwinden? Sie durfte nicht vergessen, ihn zu fragen, was für eine Rasse es war. Es war wichtig, Anteil zu nehmen. Dann dachte sie an ihre Garderobe, was sollte sie anziehen? Sie musste unbedingt eine Anprobe machen. Sie drückte ihre Zigarette aus und ging zum Kleiderschrank. Das schwarze rückenfreie Kleid vielleicht, oder das rote, das sie im Sommer in Kiel gekauft hatte, oder war das zu tief ausgeschnitten? Lieber etwas Alltäglicheres? Sie drehte sich abrupt um. Sie musste Siri anrufen.
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Kapitel 18
Parisa Sadegh hatte so schlechte Laune wie selten. Was für ein vergeudeter Tag. Nach der Teambesprechung hatte sie sich über dreihundert Fotos von männlichen Straftätern zwischen dreißig und vierzig Jahren angesehen. Keiner von ihnen hatte Ähnlichkeit mit dem Mann im Billardsalon. Es ärgerte sie maßlos, dass sie den Kerl nicht zuordnen konnte. Das Telefonat mit Gisle Kvamme hatte auch nicht viel Neues gebracht. Er machte sich große Sorgen um seine Tochter und wollte sie auf keinen Fall mit aufwühlenden Fragen nach ihrer Mutter quälen, wenn es nicht absolut notwendig war. Parisa konnte das verstehen und verzichtete darauf, ihn zu drängen. Das Einzige, was sie herausbekam, war, dass Nora keine Ahnung von der geplanten Berlin-Reise ihrer Mutter gehabt hatte. Wie vermutet, bestätigte Kvamme außerdem, dass er Nadija während seiner Zeit als Botschaftsrat in Belgrad kennengelernt und sich daraus eine Beziehung entwickelt hatte. Er war die ganze Zeit sehr kurz angebunden, und als Parisa fragte, warum die Ehe gescheitert war, blockte er endgültig ab. Der Tag war dadurch nicht besser geworden, dass Gusev verschwunden war und der maulfaule, aber sehr loyale Barkeeper nur mit den Schultern zuckte und in die Luft starrte. Zuerst hatte sie daran gedacht, Gusev zur Fahndung auszuschreiben. Aber sie hatten nichts anderes gegen ihn in der Hand, als dass er Nadija gekannt und ihr einen Billardqueue geschenkt hatte.
Es ging auf halb sieben zu, und sie merkte, dass sie einen Bärenhunger hatte. Doch schon bei dem Gedanken, einkaufen und Essen machen zu müssen, sank ihre Laune ins Bodenlose. Ich kann zwei Dinge tun, um mich besser zu fühlen, dachte sie, essen oder trainieren. Der Hunger siegte. Sie fand einen freien Parkplatz vor Kunstnernes hus und ging die hundert Meter hinüber zu Rust, einem Lokal, in dem sie während ihrer Zeit an der Polizeihochschule oft gewesen war.
Die Einrichtung war noch dieselbe, aber die Mädchen hinter dem Tresen waren neu. Und jung, die älteste konnte höchstens fünfundzwanzig sein. Genau wie damals, als ich hier gegessen habe, dachte Parisa, und plötzlich kam ihr die Mail des unbekannten Flugzeugbegeisterten in den Sinn. Warum hatte sie so flapsig darauf geantwortet?
Sie fand einen freien Zweiertisch ganz hinten im Lokal und bestellte ein Ciabatta mit Parmaschinken, Aioli, Parmesan und sonnengetrockneten Tomaten, dazu ein Mineralwasser mit wenig Kohlensäure. Am Nachbartisch saßen zwei junge Typen Anfang zwanzig und unterhielten sich darüber, wie high sie auf einer Party am Vorabend gewesen waren. Der eine trug eine Collegejacke, Jeanshemd und Baggy Pants. Durch die Gitterstäbe der Stuhllehne konnte Parisa seine halbe Arschritze über einem großen Björn-Borg-Logo sehen. Sie merkte plötzlich, dass der andere Typ sie beobachtete, und wandte blitzschnell den Blick ab.
Der Parmaschinken war butterzart, und das warme Ciabatta hatte eine schöne goldene Kruste und gab ein knusperndes Geräusch von sich, als sie das Messer hineinstach. Ihre Laune stieg. Zehn Minuten später trank sie den letzten Schluck Wasser und zahlte. Als sie an den beiden Jungs vorbeikam, überlegte sie kurz, ob sie ihnen gegenüber ein paar mahnende Worte über Ecstasy und Drogenmissbrauch fallen lassen sollte, aber nach einem Blick in ihre arroganten Schnöselgesichter verzichtete sie
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